Etwas leichtsinnig, ohne Regenkleidung, ging ich bei unsicherem Wetter aus dem Haus. Ich vertraute darauf, dass es nicht regnen würde. Langsam tauchten immer dunklere Wolken auf, die sich in einem Sturm mit peitschendem Regen entleerten. In einer offenen Garage fand ich einen trockenen Unterschlupf. Im Trockenen betete ich für die vielen Menschen, die im Tropenregen in einfachen Zelten überleben mussten, die in Pakistan mit dieser furchtbaren Überschwemmung zurechtkommen mussten. In der halben Stunde bis zum Ende des Sturms fand ich in ein tiefes Gespräch mit Gott. Ich bat Ihn, dass ich in Schwierigkeiten oder Problemen, nie an Seiner Liebe zweifeln möge. Als ich nach Hause ging, staunte und freute ich mich über einen wunderschönen Regenbogen, ein Zeichen göttlicher Liebe zu mir und zu unserer Welt.
Aus den Nachrichten hatte ich erfahren, dass die Luftangriffe in der Ukraine wieder massiv zugenommen hatten. Ich kontaktierte mehrere go4peace-Freunde in dem Land, um sie unsere Verbundenheit spüren zu lassen. Seit Monaten wusste ich um ihre Angst. Daraufhin erreichte mich eine Antwort, die mich sehr bewegt: „Weißt Du, es gibt Momente, da scheint alles zusammenzu-brechen. Ich versuche, eine Aufgabe zu beenden und ein Treffen vorzubereiten, aber ich habe keine Lust. Meine ganze Aufmerksamkeit wird von den Nachrichten in Anspruch genommen, die eintreffen. Es sind wieder Raketen vom Kaspischen Meer abgefeuert worden. Schockstarre. Ich versuche, Verwandte und Bekannte anzurufen. Und ich werde sehr wütend, wenn keine Antwort kommt. Der Verstand will nicht akzeptieren, dass der Mobil-Dienst nicht gut funktioniert. Und dann frage ich in all dem, was Gott will, was er von mir will. In unserem go4peace-Monats-Kommentar vom Oktober lese ich: ‚Nicht lau sein, sondern eine Entscheidung treffen!‘ So entscheide ich mich für kleine Schritte. Ich beschließe, meine Mitarbeiter zu kontaktieren und sie zu bitten, aus Sicherheitsgründen zu Hause zu bleiben. Ja, immer neu kleine Entscheidungen treffen, vorwärts gehen, Gott bitten, auch wenn ich ihn oft nicht spüre, glauben, dass er sich in den Menschen und Situationen des Tages zeigen wird… Zwei Tage unter den Raketen machen mich wahnsinnig, aber ich bleibe auf dem Weg. Danke für all Deine Verbundenheit! Ich brauche sie. Ich spüre mit den Sinnen meiner Seele, ER, Jesus, ist unter uns, will immer neu geboren werden. Das trägt mich sehr! Danke!“
Fast wöchentlich erscheint eine sehr alte ukrainische Frau in unserem ehrenamtlich geführten Kleiderladen. Sie schaut vorbei, auch wenn sie gar nichts braucht. Wir verständigen uns meistens nur über Mimik und Gestik. Sie spürt, dass sie total willkommen ist. Obwohl sie in ihrem hohen Alter alles zurücklassen musste und miterleben muss, wie ihre Heimat zerstört wird, strahlt sie uns immer glücklich an und erzählt ganz viel. Dann nimmt sie uns in den Arm und wir freuen uns jedes Mal sehr, wenn sie kommt. Es ist nebensächlich, ob wir irgendetwas verstehen oder nicht. In den Augenblicken unserer Begegnung ereignet sich eine Liebe zwischen uns, die stärker ist als jedes Leid. Jesus ist in diesen Augenblicken wirklich da. Die strahlenden Augen der alten ukrainischen Frau nehme ich dann im Herzen mit nach Hause. Diese tiefe Liebe, die sich zwischen Menschen verschiedener Nation und Generation schenkt, ist durch keine Rakete zerstörbar.
Ich hatte noch ein wenig Zeit und wollte sie gern jemandem schenken. Ich wusste um einen Ort, wo sich nachmittags ukrainische Flüchtlinge trafen. Ich gesellte mich zu ihnen. Ein junges Ehepaar fiel mir auf. Sie standen mit einem kleinen Kind am Rand und schienen ein wenig scheu. Ich gesellte mich zu ihnen. Die Verständigung war nicht leicht. Immer wieder musste ein Übersetzungsprogramm auf dem Handi helfen. Die Frau war mit dem kleinen Kind schon über sechs Monate in Deutschland, der Mann erst kürzlich aus den russisch gewordenen Gebieten geflohen. Er mühte sich, von sich und seiner Situation zu erzählen. Er war richtig glücklich, jetzt mit seiner Frau und kleinen Tochter in Sicherheit zu sein. Die drei hatten entschieden, in unserem Land zu bleiben. Als ich mich nach einer guten Stunde verabschiedete, tippte der Mann einen ukrainischen Satz in sein Handy. Übersetzt las ich: „Danke, dass Du bei uns geblieben hast und uns Deine Zeit und Deine Liebe geschenkt hast!“
Wir hatten die Wohnung einer verstorbenen älteren Dame auszuräumen. Eine junge Lehrerin, die neu in unserer Stadt war, freute sich über viele noch gut erhaltene Möbel. Ein großer sehr gut erhaltener Kleiderschrank passte allerdings nicht in die neue Wohnung. Ich sah, wie ein anderes Team-Mitglied Freude an diesem Schrank fand. Zugleich wusste ich, dass es viele Stunden Arbeit des Abbauens, Transportierens uns Wiederaufbauens nach sich ziehen würde. Am Tag zuvor hatte ich noch einen kleinen Text über die Goldene Regel geschrieben. Er endete mit dem Motto: Miteinander – wie sonst! Das kam mir in den Sinn. Sofort spürte ich eine Entschiedenheit in mir, dem Schrank Flügel zu verleihen. Mithilfe einiger Jugendlicher machten wir uns ans Werk. Wir schafften es sogar noch, den Schrank in die Nachbarstadt zur Wohnung des Mannes zu bringen. Als wir den Schrank nach 10 Tagen aufbauten, schaute ich in die strahlenden Augen des Beschenkten. „Ich hab mich so sehr gefreut, dass das möglich geworden ist. Danke für unser lebendiges Miteinander!“ Und dann lud er zu einem tollen italienischen Mittagessen ein.
Früh morgens schon saß ich im Frisörshop. Ich war der erste Kunde. Es war noch ruhig. Die Frau, die mich bediente, war wohl mit dem linken Bein aufgestanden. Alles schien schwer und alle Themen, die sie im Herzen hatte, waren belastend: Corona, Energiekrise, Krieg, Ungerechtigkeit, Angst vor der Zukunft… Was kann ich tun, um sie aus diesem dunkeln Loch heraus zu holen, fragte ich mich. Mir kam die Erfahrung mit den Zwiebeln vom Vortag in den Sinn. Einer inneren Stimme folgend war ich zu eine ukrainischen Familie aufgebrochen und hatte ihnen – unerwartet eine Kiste voller Kartoffeln, Zwiebeln und Äpfeln vorbei gebracht. Die Mutter dieser Familie war davon so berührt gewesen, hatte sie doch am Morgen alle ihre Zwiebeln einer befreundeten Familie gegeben, die dringend welche brauchten. Und dann stand ich da mit all den Früchten der Erde. „Boh, das ist ja toll. Ich bekomme gerade eine Gänsehaut!“ hörte ich meine Friseuse sagen. „Und so können wir jeden Augenblick mit dem Licht der Liebe füllen!“ fügte ich hinzu und schaute sie an. „Stimmt, danke fürs Erzählen. Das hat meinen Tag aufgehellt. Jetzt geht’s anders weiter. Nochmals Danke!“ Als ich ihr noch ein kleines Trinkgeld gab, strahlte sie. Mit diesem Strahlen beschenkt verließ ich den Shop.
Während eine Friseuse mir die Haare schnitt, kamen wir in ein lebendiges Gespräch über die heutige Zeitsituation. „Wissen Sie“, ließ sie mich wissen, „ich schau mir gar keine Nachrichten mehr an, denn dort hör ich nur Negatives und das bringt mich dann total aus dem Gleichgewicht. Skandale in der Kirche, Klimaproblem, Ukraine-Krise, schwache Regierung, Corona… - Ich kann’s nicht mehr hören!“ – „Schade, dass so viele positive Sachen wenig Chance haben, in die Nachrichten zu kommen!“ reagierte ich. „Oh, dann erzählen Sie mir doch mal was Positives!“ bat sie mich. Ohne zu zögern erzählte ich ihr vom vergangenen Samstag, an dem wir mit 5 jungen Leuten kleine Videos gedreht haben, die über QR-Codes in einem Logbuch fürs Leben zu erreichen sein werden. Ich erzählte ihr, wie lebendig, wachsam und voller Esprit ich die Jugendlichen erlebt hatte. Jeder ging voller Freude nach dem Dreh seines Weges. Als ich bezahlte, sagte mir die junge Frau: „Ich hätte Ihnen gern noch viel länger die Haare geschnitten!“
Ein junger Praktikant kümmerte sich In unserer Schule um Yusuf unser größtes Sorgenkind. Er ist schon älter als die anderen Kinder, verzweifelt, manchmal sehr aggressiv, erschöpft, unglücklich. Er kam verletzt und traumatisiert aus Syrien. Yusuf zu unterrichten ist oft fast nicht möglich, obwohl er gut Deutsch gelernt hat und intelligent ist. Es ist schon ein Erfolg, wenn er die anderen Kinder nicht attackiert. Dann liegt sein Kopf mit geschlossenen Augen auf dem Tisch, manchmal für Stunden.
Der junge Praktikant kümmerte sich mit großer Empathie um den syrischen Jungen. Langsam geschah, was niemand für möglich gehalten hatte. Der Junge spürte, dass der Student Zeit, Geduld und Mitgefühl für ihn mitbrachte und seinen Schmerz genau verstand. So konnte er alles aus sich herausschreien: Die Gewalt in seiner Familie, seine Verlassenheit, all die Wut, Enttäuschung und Erschöpfung. Der Student hielt das mit ihm aus und ermutigte und tröstete ihn. Yusuf fing wieder an zu lernen und mit seinem „großen Freund“ herumzualbern. Beide kamen mir heute auf dem Flur entgegen. Das Kind war wie befreit und verwandelt. Er konnte endlich wieder lachen! Der Große und der Kleine gingen nebeneinander her in absoluter Vertrautheit. In ihren Blicken lag ein tiefer Friede. Der große Freund hatte dem kleinen Jungen helfen können, weil er selber viel Schmerz und Leid durchlebt hatte. In der Begleitung des Kindes entdeckte er, wofür er nun leben wollte.
„Lass Dich von der Not Deines Nächsten berühren!“ Das war heute wieder Motor für mich! Und das Schönste ist, wenn andere spüren, dass da „etwas Besonderes“ passiert, dass eben Gott am Werk ist! Eine Frau wurde heute ins Krankenhaus gebracht, sie erwartet ihr erstes Kind aufgrund verschiedener Umstände war klar: Es würde nicht leicht. Völlig panisch war sie, dass sie die Geburt nicht schaffen könne. Eine noch sehr junge Kollegin hatte sie aufgenommen und brauchte nun meine Hilfe. Die Angst der Frau war fast mit Händen greifbar. Angesprochen durch diese Not konnte ich sie abholen, beruhigen und stark werden lassen. Sie hat sich darauf eingelassen, konnte mir folgen und hat sich voller Vertrauen auf das große Abenteuer Geburt eingelassen….. und sie hat es geschafft! Das alleine ist schon ein großer Grund zur Freude, aber der Anruf der jungen Kollegin, mit der Frage: Was war das gerade? Wie machst Du das? – das hat mich genauso sehr gefreut!!!
Für meine Tochter stand ein Impftermin an. Da sie beim ersten Mal heftige Nebenwirkungen gezeigt hatte, war sie verständlicherweise sehr verunsichert. Unser Termin rückte näher. Trotz mehrfacher Erinnerungen verspätete sie sich immer mehr. Sie wurde abweisend und war hoch angespannt. Obwohl ich wusste, dass ihr Hinauszögern mit Angst zu tun hatte, wurde ich wütend. Irgendwann ließen wir unseren Frust mit voller Wucht aneinander aus. Türen flogen krachend zu.
Ich fühlte mich total erbärmlich. Dann hab ich all mein Elend im Gebet zu Jesus gebracht. Die Enttäuschung über meine eigene Reaktion aber blieb mir im Herzen. Im Auto war die Stimmung sehr angespannt. Wir kamen viel zu spät und erwarteten, weggeschickt zu werden. Aber alles kam ganz anders: Ein älterer Herr nahm uns freundlich und verständnisvoll in Empfang. Er sah mit einem Blick die Anspannung bei meinem Kind und kümmerte sich die ganze Zeit rührend um sie. Nach der Impfung konnte sie sich hinlegen, bekam etwas zu trinken und ihr Begleiter brachte sie mit viel Ruhe und Geduld auf andere Gedanken. Nebenwirkungen blieben aus. Der Ärger fiel plötzlich von uns ab. Dankbar verabschiedeten wir uns von unserem Engel des Alltags.
Auf der Rückfahrt ergab sich ein tiefes Gespräch voller Vertrauen, Liebe und Frieden. Zum Schluss äußerte meine Tochter den Wunsch: „Können wir nicht einen Umweg fahren? Einfach noch weiter fahren? Das würde ich mir jetzt wünschen.“ Ich war hundemüde und hatte noch viel Arbeit vor mir. Trotzdem habe ich es getan. Uns wurde noch eine Stunde tiefen Glücks geschenkt. Ich konnte Jesus einfach nur DANKE sagen, hatte er mir durch den warmherzigen Impfbegleiter genau das gegeben, worum ich ihn gebeten hatte.
„Kannst Du mir jemanden aus dem internationalen Team des Digitalen Europäischen Kreuzweges benennen, mit dem ich eine Interview für unsere Homepage machen kann?“ höre ich am Telefon und sage schnell zu. Ich rufe eine Studentin auf dem Balkan an, die gut Englisch spricht und sich über diesen Auftrag freut. „Ich kann es doch nicht selber machen“, lese ich in der nächsten Mail des Fragenden, „eine junge Werksstudentin wird sich melden! Aber es geht nur in deutscher Sprache!“ Ich spüre, mit der jungen Frau sprechen zu wollen, um sie zu ermutigen einen Schritt über ihren bisherigen Horizont zu machen. Über 8 Stunden versuche ich Kontaktdaten der jungen Frau zu bekommen. Vergebens. Dann bekomme ich ihre Handy-Nummer. Plötzlich funktioniert mein Handy nicht mehr. Ich bleibe dran. Nach einem abermaligem geduldigen Warten erreichen wir uns. Nach wenigen Augenblicken entwickelt sich ein wunderbarer sehr persönlicher Austausch, obwohl wir uns noch nie gesehen haben. Am Ende höre ich: „Wie schön, dass wir uns begegnet sind. Ein echtes Geschenk!“
Ein Freund ruft an. Er wirkt sichtlich verstört. Angesichts des Krieges in der Ukraine sagt er immer wieder: „Ich hab den Eindruck, ich mach zu wenig. Wir müssen doch irgendetwas tun!“ Lange höre ich ihm zu. „Und wo bist Du jetzt?“ frage ich ihn. „Ich mit unserem Hund durch den Wald zu dem Kreuz gelaufen!“ – „Dann tust Du doch schon was!“ sage ich ihm. „Du lässt Dich von dem Schicksal der vielen Leidenden tief anrühren und bringst es zu dem, der für uns gelitten hat. Damit hältst Du diesen unendlichen Schmerz ja schon mit ihnen aus und bleibst nicht kalt und unberührt!“ Unser Gespräch wird immer tiefer und friedvoller. Ich erzähle von den Friedensmahnern, die wir an vielen Stellen der Welt aufgestellt haben – eine einfache Stehle mit den Worten „Friede auf Erden!“ in jeweils vier verschiedenen Sprachen. Im Miteinander verstehen wir, dass er in seinem Umfeld und ich in meinem Umfeld je zwei Mahner aufstellen wollen. Die vier Sprachen Englisch, Ukrainisch, Russisch und Deutsch hatte ich vorher schon ausgesucht. „Mit diesen beiden Ideen kann ich total gut weitergehen: das Leid mit den Leidenden aushalten und Friedensstehlen errichten, die an unsere Verantwortung für den Frieden zu leben, erinnern!“ vertraut er mir abschließend an.
Am Flughafen angekommen, nahm ich ein Taxi. Der Fahrer - Schwarzafrikaner - erzählte mir seine Erfahrung. Er war vor 30 Jahren aus dem Kongo in die USA gekommen, um ein besseres Leben führen zu können. Sein Traum aber war zu studieren. Das ist in den USA sehr teuer. So musste er arbeiten und konnte sich vorerst kein Studium finanzieren.
30 Jahre später bekam dieser Mann seinen Doktortitel. Und das war genau an dem Tag, an dem er mich vom Flughafen abholte. Zur offiziellen Verleihung des Titels konnte er nicht gehen, da er seinem Job als Taxifahrer nachgehen musste. Er kam aber mit seinem "Doktor-Hut" zum Flughafen und erzählte mir voller Freude, dass er nach 30 Jahren endlich seinen Doktor in Philosophie bekommen hatte. Er ist heute 57 Jahre alt. Dann sage er zu mir: "Manchmal braucht es länger, manchmal auch nicht! Wichtig ist, nie unsere Träume aufzugeben" - Dont give up on your dreams! Sometimes it takes longer, but it is worth waiting it.” Diese Worte sind mir sehr nahe gegangen.
Das Geld für die Feldküchen ist gesammelt. Erneut rufe ich in der Ukraine an. Ein dortiger Freund erzählt von 55 Waisenkindern, die z.T. auf Straßen und Bahnhöfen gefunden worden sind. Jetzt sind sie in einer großen Sporthalle untergebracht. Auf einem Foto sehe ich drei Kinder in einem Bunker. Sie schlafen – wehrlos und friedlich. Ich schließe kurz meine Augen. In mir werden Bilder wach, die mich im Jahr 1996 nach Bosnien und Herzegowina gebracht hatten. Es war vor allem das Bild eines Kindes in seiner Schutzlosigkeit. Das hatte ich damals als leises Klopfzeichen Gottes erlebt. Gott lud mich ein, mich mit Jugendlichen auf einen Friedensweg nach Bosnien und Herzegowina zu machen. Über 2000 junge Leute aus ganz Europa sind in den 25 Jahren mitgegangen und haben gelernt, für den Frieden zu leben. Ich öffne meine Augen wieder und bin wieder mit meinem ukrainischen Freund im Gespräch. Er träumte von einem Kinderdorf aus Holz-Containern. Wieder rechnen wir am Telefon: Jeder Quadratmeter überbaute Fläche kostet 425 € . 266 m2 sindgeplant. Gesamtpreis: 113.050 €. Wieder bin ich allein am Telefon, in meinem Glauben angefragt. Wieder befrage ich die Worte Jesu und mir kommt sein Wort: „Wer eines von diesen Kleinen in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf!“ - „Trust and jump!“ – „Vertrau und Spring!“ kommt mir ins Herz. Gott ist am Werk. Ein zweiter Flyer ist schnell gestaltet… Frieden will gelebt werden. Let’s go4peace – wir bleiben dran!
Wir hatten uns als Familie entschieden, ein Kind oder unbegleiteten Jugendlichen aus der Ukraine bei uns auszunehmen. Prompt kam uns der Corona-Virus besuchen. Dann kam die Nachfrage, ob wir Platz für eine Familie mit einem autistischen Kind zur Verfügung stellen könnten. Wegen Corona musste ich verneinen. Trotzdem traf mich diese Anfrage und ich teilte sie in meinem Netzwerk. Sofort meldete sich jemand, der eine voll möblierte Dienstwohnung mit 4 Betten frei hatte. Er würde auch noch den Kühlschrank voll machen und die können sie haben. Das nach nur 10 Minuten.
Eine andere Person aus meinem Netzwerk hatte Kontakt zum Autismus-Zentrum in meiner Stadt. Die schickten am nächsten Tag sofort jemanden, um zu sehen, was für den kleinen Jungen gemacht werden kann. Nach meiner Genesung konnte ich den Kleinen sehen. Schnell entstand eine enge Verbindung, dass der Kleine mich umarmte. Keine 10 Minuten nach unserer Ankunft, legte der Junge sich auf den Schoß meiner Tochter.
Der Vater des Kindes, der wegen der Behinderung seines Sohnes sein Land auch verlassen durfte, ist Musiker und spielt Gitarre (Drei in meiner Familie tun das auch!) und Geige (wie zwei von uns) und die Familie ist – wie wir - tief im Glauben verwurzelt. Wir sind alle berührt und überwältigt!
Mein Handy lässt mich wissen, dass eine Sprachnachricht aus Südosteuropa angekommen ist. Neugierig höre ich hinein. „Ich muss dringend eine Erfahrung mit Dir teilen!“ darf ich da hören. „Du weißt, wie sehr ich mit den täglichen Mottos lebe. Ich übersetze sie in meine Muttersprache und gebe sie in meinem Land täglich an viele Menschen weiter. Heut war ja das Motto: ‚Fang wieder neu an! - Start again!‘ Und das passte mal wieder genau in meine Lebenssituation. Mir ist eine neue Arbeitsstelle angeboten worden, von der ich noch nicht genau weiß, was sie beinhaltet. Da ich auf meiner jetzigen Stelle auch noch nicht so lange arbeite, war ich mir sehr unsicher, ob es dran ist, dem neuen Angebot nachzugehen. Und dann kam das Motto und ich wusste sofort: Es ist für mich! Wag Dich und mach Dich neu auf den Weg! Danke von Herzen!“
Es war ein Tag voller Hiobsbotschaften. Und vieles, was ich mir vorgenommen hatte, funktionierte nicht, die Geschäfte übervoll… Ich spürte meine Grenzen. Mitten in einem Geschäft blieb ich hinter einem Regal stehen und fragte mich nach dem Tagesmotto: „Hab ein offenes Herz!“ – meins war gerade in der Gefahr, sich zu verschließen. Ich entschied mich, den negativen Gefühlen keinen Raum zu geben, sondern jeweils im Augenblick offen für das Leben zu sein. An der Brottheke sagte eine junge Verkäuferin gedankenverloren zu sich selbst: „Eigentlich müsste ich auch mal was Trinken!“ – „Auch das noch in dem ganzen Trubel!“ bemerkte ich scherzhaft. Sie schaute auf und lächelte. Nachdem ich bezahlt hatte, rief sie mir nach: „Danke!“ – Da ich in dieser Bäckerei ein besonderes Brot, das ich für jemanden kaufen sollte, nicht bekommen hatte, zog ich weiter. In der nächsten Bäckerei fand ich das, was ich brauchte. Beim Bezahlen hatte ich nur einen 50 €-Schein für das Brot zur Hand. Ich ließ die Verkäuferin wissen: „Tut mir leid, aber ich kann nur mit diesem großen Schein bezahlen!“ und schaute sie dabei an. „Kein Problem, das kriegen wir schon hin!“ Dann rechnete sie mir das Geld in vielen kleinen Scheinen vor. „Sie hätten auch Mathematikerin werden können!“ scherzte ich. Ihre Antwort: „Das mach ich dann im Nebenjob!“ Lächelnd verabschiedeten wir uns. Als ich wieder zu Hause war, kam die nächste schwere Nachricht, aber mein Herz war frei, um sie aufzunehmen.
Eine Woche nach dem Osterfest in unseren westlichen Kirchen feiert die orthodoxe Kirche Ostern. Da in unserer Stadt viele Flüchtlinge – vor allem Mütter mit kleinen Kindern – aus der Ukraine angekommen sind, hatten wir uns entschieden, ihnen an ihrem Osterfest eine kleine Freude zu bereiten. So war ich in vier Supermärkten unterwegs, um die noch verfügbaren Schokoladen-Eier und bunte Hühnereier zu ergattern. Als ich jeweils die vielen bunten Eier auf das Fließband an der Kasse legte, schmunzelte mich jedes Mal die Kassiererin an und fragte – in leichten Abwandlungen – jedes Mal: „Hat Sie denn der Osterhase vergessen!“ Auf meine Antwort hin: „Ja, der ist jetzt auch schon älter geworden und schafft nicht mehr alle Nester zu füllen.“ Nach einem kleinen Schmunzeln fügte ich jeweils hinzu: „Wissen Sie, die sind für die ukrainischen Kinder, die als orthodoxe Christen eine Woche später Ostern feiern als wir!“ Ich schaute in erstaunte Gesichter und hörte vier Mal: „Toll, dass Ihr Euch für diese Kinder und Mütter stark macht!“
In meiner Nachbarschaft wohnt eine Frau, die ursprünglich aus der Ukraine stammt und schon länger hier wohnt. Sie hat zwei erwachsene Söhne, die wegen des Krieges noch in der Ukraine leben und das Land nicht verlassen können. Seit einigen Tagen spürte ich den Impuls, zu ihr zu gehen und ihr ein Zeichen der Verbundenheit zu schenken. Aus verschiedenen Gründen war ich aber unsicher, da ich die Sorge hatte, dass ich ihr vielleicht damit zu nahe treten könnte. Bisher gab es auch keine Gelegenheit, ein paar Worte miteinander zu wechseln. Ich konnte die Situation schwer einschätzen. Ein kurzes Gespräch mit einem anderen Bekannten machte mir Mut, diese Unsicherheit zu überwinden Ich nahm Blumen und eine kleine Osterkerze und schellte bei ihr. Als sie öffnete, sagte ich ihr, dass ich viel an sie und ihre Söhne denke. Sie freute sich sehr über dieses kleine Zeichen der Verbundenheit. Mit Tränen in den Augen bedankte sie sich und erzählte, dass einer ihrer Söhne in einer Stadt ist, die gestern angegriffen wurde. Als ich wieder Zuhause war, musste ich auch weinen. Soviel Leid überall. Ich bin dankbar , dass ich meine Unsicherheit überwinden konnte und dadurch ein klein wenig Freude schenken und mittragen durfte.