Neben dem Messbuch lag ein kleiner Zettel mit einem Namen, den ich nicht kannte. Ich erfuhr, dass dieser Mensch ganz plötzlich und völlig unerwartet im Alter von 56 Jahren aus dem Leben gerissen worden war. Seine Schwägerin überbrachte diese Botschaft. Ich spürte, wie sehr ihr dieser Tod zu Herzen ging. So versuchte ich während des Gottesdienstes, an dem sie teilnahm, die Texte des Tages auf ihre Situation hin zu deuten und einige Erfahrungen zu teilen. Nach dem Gottesdienst ließ sie mich ihre Dankbarkeit spüren. Ich spürte ihr Bedürfnis, erzählen zu dürfen, was sie in ihrer Seele spürte. Vor meinem nächsten Termin wollte ich noch zwei Besorgungen machen. Ich verschob diese in Gedanken auf später und hörte ihr aufmerksam zu. „Oh, wie gut es gut, über all das zu sprechen und auch meine Ängste aussprechen zu können. Ich hatte bisher noch niemanden gefunden, mit dem ich das teilen konnte! Von Herzen DANKE!“
„Ich bin jetzt wieder gesund. Kannst du mich abholen?“ lese ich in einer WhatsApp. Es war am Ende eines langen Tages. Ich war müde und wusste nicht, ob ich dieser Situation emotional noch gewachsen sein würde. Dennoch machte ich mich auf den Weg. Ich bat Jesus inständig, mir beizustehen und mir einzugeben, was ich sagen soll. Ich hatte weder die Kraft, noch das Selbstbewusstsein zu diesem Zeitpunkt, komplizierte Gespräche zu führen und hielt Jesus diese Hilflosigkeit hin. Ich fühlte SEINE Nähe deutlich und konnte in diesem Vertrauen weiterfahren. Die sich anschließende Begegnung ging richtig gut. Wir sprachen über viele Dinge, die uns wichtig sind. Ich hatte den Eindruck, ER war mit dabei. Kaum war ich zu Hause, musste ich noch ein Gespräch mit einer traurigen und besorgten Mutter führen. Sie hatte große Erziehungsschwierigkeiten mit ihrem Kind. Ich musste nicht nachdenken. Ich habe einfach das gesagt, was mir ins Herz kam. Am Ende war sie sehr erleichtert, fühlte sich verstanden und war wieder zuversichtlich. Jesus hat genau das für mich getan, warum ich ihn gebeten hatte. Ich kann es immer noch nicht richtig fassen, dass so etwas wirklich passiert. Er geht wirklich jeden einzelnen Millimeter mit.
Durch sein unbedachtes vorschnelles Verhalten hatte mich ein Freund verletzt. Sein schnell am Telefon dahin gesagtes: „Tut mir leid!“ konnte ich kaum nehmen. So beendete ich das Telefonat. Ich spürte, wie diese Verletzung meine Seele aufwühlte. In meinen Gedanken begann ich diesen Freund zu verurteilen. Das zog mich immer mehr herunter. Ich wollte mich von diesen negativen Gefühlen nicht lenken und leiten lassen, aber sie waren da. Ich bat Jesus in einem Stoßgebet um Hilfe. Mir fiel ein weiterer Freund ein, der mich gebeten hatte, ihn über den Verlauf einer Konferenz gut zu informieren. Um etwas „aus Liebe“ zu tun und nicht in den negativen Gefühlen hängen zu bleiben, rief ich ihn an. Ich nahm mir vor die Konferenz, die nicht sehr gut gelaufen war, ganz sachlich und wohlwollend darzustellen und nichts Überzogenes zu sagen. Ein längeres und brüderliches Gespräch entwickelte sich. Als wir uns verabschiedeten, spürte ich wieder echten Frieden in meiner Seele.
Ich hatte eine lange Nachtfahrt von Kyiv zu meinem Heimatort vor mir. In meinem Abteil saß ein älterer Mann. Wir fanden miteinander in ein freundliches Gespräch. Nach einiger Zeit stieg ein Soldat zu uns ins Abteil. Der ältere Mann sprach aus ihn an. Er erzählte viel von all dem, was er in dieser Zeit erleben musste. Dann stand der Ältere auf und kam bald mit zwei Tassen Tee zurück, die er im Bord-Restaurant gekauft hatte. Und er holte noch eine dritte Tasse für mich. Obwohl ich ungern im Zug etwas trinke, trank ich den Tee mit den beiden. Wir hatten eine gute Zeit miteinander. Als wir uns verabschiedeten, ging jeder von uns mit einer echten Freude im Herzen.
Es schellt. Ein Mann bittet um die Krankensalbung einer Frau im Krankenhaus unserer Stadt. Ich ändere meine Pläne und fahre sofort mit dem Fahrrad zum Krankenhaus. Station 5. Eine Praktikantin führt mich zum Zimmer der Frau. Sie ist ansprechbar, spricht aber nur wenige Worte Deutsch. Das Atmen fällt ihr schwer. Ich setze mich an ihr Bett und schaue sie schweigend mit einem Blick voller Liebe an. Ihre Augen ruhen in den Meinen. Ich habe ihr Jesus in der Eucharistie und das Kranken -Öl mitgebracht. Als ich ihr beides zeige, strahlt sie und beginnt sofort das „Vater unser“ und das „Gegrüßt seist Du Maria“ auf Polnisch zu beten. Ich spende ihr mit wenigen Worten die Krankensalbung und gebe ihr das Heilige Brot zu essen. Sofort betet sie laut in ihrer Muttersprache weiter. Es klopft. Das Mittagessen wird gebracht. „Sie wird sowieso wieder nichts essen!“ sagt mir die Frau des Essensdienstes. Ich zeige der Kranken, was es zu essen gibt. Beim Joghurt geht ein Lächeln über ihr Gesicht. Da sie eine Schulter gebrochen hat, kann sie sich nur mühsam helfen. So füttere ich sie mit dem Joghurt. Löffel für Löffel. Jedes Mal ein Strahlen in ihren Augen. Als ich mich nach über einer Stunde verabschiede und unsere Augen einander lange begegnet sind, sagt sie: „Ich liebe Jesus!“ Ich erwidere: „Ich auch!“ In einem tiefen Frieden gehen wir auseinander.
Spät abends kam ich nach Hause. Der Tank meines Autos war leer. So fuhr ich noch zu einer Tankstelle. 1 € blieb mir übrig. Ich gab es dem jungen Mann an der Tankstelle als Trinkgeld. Das hatte er nicht erwartet und strahlte mich an. Mit einem herzlichen DANKE verabschiedeten wir uns. Am nächsten Morgen fuhr ich schon früh für einige Besorgungen in einen Baumarkt. Als ich einen Chip in den Einkaufswagen stecken wollte, fand ich in ihm genau einen Euro. Ich musste schmunzeln und steckte ihn in mein Portemonnaie.
Ich war im Auto unterwegs. Ich wusste um seinen Sohn. Er hatte eine schwere Vergangenheit und war im Leben noch nicht so richtig angekommen. Sein Vater machte sich Sorgen. So hatte er mich angerufen. Es war wenig Zeit zum Reden gewesen. Ich rief zurück. Er hatte Zeit. Wir begannen zu erzählen, lachten viel. Unsere Herzen wurden warm. Dann kamen wir auf das zu sprechen, was Sorgen bereitete. Er hatte schon viel für sein Kind versucht. Meist (scheinbar) erfolglos. Ich hörte zu, fragte nach, brachte zum Lachen. Am Ende erzählte ich ihm von einer Gruppe, in der solche jungen Leute gemeinsame Wege suchten und versuchten. Hoffnung keimte in ihm. „Über meinem Tag ist nun eine neue Sonne aufgegangen!“ hörte ich ihn am Ende sagen.
Meine Gedanken wanderten weiter, zu einer Studentin, deren Großmutter kürzlich sehr plötzlich verstorben war. Ich hatte mich gemüht, diesen Weg auf Entfernung mit meinem Beten und Lieben zu begleiten. Nun musste das Leben dieser jungen Frau und ihrer Familie irgendwie weitergehen. Aber der Schmerz reichte noch tief. Ich rief an. Wir kamen in einen behutsamen Austausch. Alles, was war und was schmerzte, fand seinen Raum. „Wie schön, dass Du angerufen hast!“ hörte ich am Ende. Betend blieb ich beiden Menschen nah.
Aufgrund meiner Arbeit musste ich dringend nach Kyiv, aber meine familiären Umstände ließen das kaum zu. Ich hatte versprochen, für meine Nichte da zu sein. Was sollte ich tun? Ich bat Gott, mir Klarheit zu schenken. Ganz unvermutet informierte mich meine Schwester, dass sie ein paar Tage Urlaub bekommen hätte. So konnte sie sich um ihre Tochter sorgen und ich war auf einmal frei, um meiner Arbeit nachzugehen. Mittlerweile bin ich in Kyiv angekommen und freue mich so sehr, all meine Freunde wieder zu sehen. Noch mehr aber ist mein Herz von Freude erfüllt, sie sehr sich Gott um mich sorgt!
Ein arbeitsamer Tag ging zu Ende. Auf der Autobahn war ich auf dem Rückweg von einem Termin. Mir kam das Motto des Tages in den Sinn: „Entdeck die Handschrift Gottes!“ Ich hatte viele kleine Schritte aus Liebe gemacht und war Menschen begegnet, deren Herz sich auf Neues nicht einlassen konnte. So fragte ich Gott: Und wo war heute Deine Handschrift? – Während ich darüber nachsann begann die Sonne gleißend unterzugehen und erhellte den ganzen Himmel von unten her. Es war ein so bewegendes Schauspiel, wie ich es lange nicht mehr gesehen hatte. Ich fuhr auf einen Parkplatz, um dieses Schauspiel der Schöpfung zu betrachten. Auf einmal hatte ich den Eindruck: Du bist mitten drin in diesem Geschehen. Da umarmt Dich jemand so liebevoll, wie es inniger kaum sein kann. Ich spürte eine tiefe Dankbarkeit und Freude im Herzen und begann das Lied „Die Sonne neigt zur Erde sich, schon bricht der Abend an“, zu singen. Das war Seine Handschrift.
„Meine Schwester ist krank, deshalb konnte sie heute nicht als Messdienerin kommen!“ hörte ich ein Mädchen vor der Messe sagen. Nach dem Gottesdienst fragte ich vorsichtig nach, ob die Krankheit ernster sei. „Ja, sie hat immer schreckliche Kopfschmerzen. Deshalb musste sie für ein paar Tage ins Krankenhaus. Hoffentlich kann sie bald wieder nach Hause!“ Mir gingen diese Worte nach. Als ich am nächsten Morgen wach wurde, hatte ich das kranke Mädchen in meinem Herzen. Wie konnte ich sie spüren lassen, dass sie in diesen Tagen nicht allein war? – Ich schrieb ihr einen Kartengruß und klebte eine kleine Schurzengelfigur auf den Briefumschlag und dazu noch ein paar ganz kleiner selbstgestrickter Socken. „Möge der kleine Engel Dich begleiten und gesund machen, damit Du Dich bald wieder auf die Socken machen und nach Hause kommen kannst.“ Schnell fuhr ich zur Wohnung der Familie. Sie war gerade dabei, zum Krankenhaus aufzubrechen. Als ich dem Vater den Gruß gab, schaute ich zutiefst dankbare Augen. Eine Träne zeigte mir: Wir sind im Schmerz verbunden.
Ich arbeite in einem therapeutischen Beruf. Früh morgens kommt meine 8-jährige Tochter zum Kuscheln zu mir ins Bett und fragt: „Mama, macht dir eigentlich dein Beruf Spaß? Gefällt es dir den Menschen zu helfen?“ „Na klar, ich freue mich, wenn ich anderen helfen kann“, erwidere ich. „Dann hilfst du also dem lieben Gott! Der will ja, dass es uns Menschen gut geht!“ „Ja, das glaube ich auch“, antworte ich. „Und weißt du“, fährt sie fort, „wir Kinder helfen auch dem lieben Gott!“ „Wie und warum?“, frage ich nach. „Wir haben heute früh heimlich die Spülmaschine ausgeräumt, dann haben Papa und du mehr Zeit um den anderen Menschen zu helfen.“
„Er ist in Bachmut,“ lese ich in einer WhatsApp-Nachricht. „Ich habe ihn heute Morgen kontaktet und ihm gesagt, dass ich fest für ihn gebetet habe, denn ich musste in den letzten Tagen so oft an ihn denken. Und dann hat er geantwortet: Eine Granate sei in seiner Nähe eingeschlagen und er sei kurz vor der Detonation noch hinter eine sichere Mauer gesprungen. Von der Detonation habe ihn nur ein kleiner Splitter am Arm gestreift und geringfügig verletzt. Er habe gespürt, dass jemand für ihn gebetet habe und er beschützt worden sei.“ Ich frage nach seinem Namen. Stepan. Fortan gilt ihm auch mein Gebet.
„Meine Schwester braucht dringend für sich und ihr Kind eine eigene Wohnung!“ hatte ich in einem Gespräch mitbekommen. Ihre Ehe stand auf der Kippe. Viel Geld war nicht da. Ich spürte die tiefe Not und Hilflosigkeit dieser jungen Menschen, denen das Leben schwer mitspielte. Mir kam der Impuls, „Gib ein Drittel der Mietkosten hinzu!“ Im Horchen auf meine innere Stimme wuchs die Gewissheit, es tun zu sollen. Tränen in den Augen meines Gegenübers. Als wir auseinandergingen betete ich zu Jesus: „Ich geb alles, was ich kann, an Kraft, Energie und Liebe! Tu Du bitte Deinen Teil und gib, was gebraucht wird!“ – Abends hatte ich vor einer kleinen Gruppe einen Vortrag zu halten über all die Aktivitäten von go4peace. Ich erzählte vom Evangelium, das uns Tag für Tag Quelle für unser Tun ist. „Ich bin so tief beeindruckt von dem, was ihr für die junge Generation unserer Zeit tut und wie ihr Räume für sie eröffnet!“ hörte ich nach dem Vortrag eine betagte Teilnehmerin sagen. Fast scheu steckte sie mir einen größeren Betrag in die Tasche. Zudem stellte eine andere Zuhörerin ein Körbchen auf einen Tisch. Als ich abends nach Hause fuhr, war ein Großteil des für die Mietkosten benötigten Geldes zusammen gekommen. Am Folgetag durfte ich einer sehr bewegenden Beerdigung vorstehen. Am Ende gab mir eine Mitfeiernde tief bewegt von dem Geschehen des Abschied-Nehmens genau den Betrag, der noch fehlte.
Im Galopp des Tages hatte ich ein Nummernschild an einem Anhänger angebracht. Nach dieser Arbeit machte ich mich gleich an die nächsten Schritte. Dabei legte ich den Schlüssel des Anhängers unbedacht an einer ungewohnten Stelle ab. Als ich abends auf den nächsten Tag schaute, fiel mir ein, den Schlüssel zu brauchen. So wollte ich ihn mir für die Arbeit des Folgetages schon bereit legen. Doch am gewohnten Ort fand ich ihn nicht. Ich begann zu suchen. Ein junger Gast aus der Ukraine half mir dabei. Wir gingen alle Wege des Tages nochmals nach. Der Schlüssel war nicht zu finden. Die Frage: „Sollte ich ihn gar im Kasten des Anhängers gelassen haben?“ Bedrängte mich. Wir suchten nach Möglichkeiten den Kastenwagen zu öffnen. Nach viel Geduld gelang es unserem ukrainischen Gast mit einem Zufallsschlüssel den Kastenwagen zu öffnen. Doch zu meiner Verwunderung war der Schlüssen nicht im Wagen. Schon mehrfach hatten wir den heiligen Antonius um Hilfe gebeten. „Meinolf, wir machen weiter!“ sprach mir unser Gast Mut zu. Dieses Dran-Bleiben und diese Treue rührten mein Herz. Auf der Schwelle der Türe unseres Hauses stehend, kam mir unerwartet in den Sinn, was ich nach der Arbeit am Anhänger gemacht hatte. Ich bekam eine Ahnung, wo ich den Schlüssel hingelegt haben konnte. Das war der Durchbruch, nach über eineinhalb Stunden Suchens.
Wir waren uns während eines Kongresses nur kurz begegnet. Eine Kaffeepausenlänge hatten wir uns erkämpft. Darin hatte ich auf Nachfrage ein wenig von mir erzählt. Dann gesellte sich jemand zu uns, so dass ein persönlicher Austausch nicht länger möglich war. Ich spürte eine Trauer in meiner Seele, hatte ich doch eine Traurigkeit in den Augen meines Gegenübers gesehen. Am Ende der Tagung bliebe leider keine Zeit mehr. Ich spürte, wie der Augen-Blick in die Seele dieses Menschen mich begleitete. Auf dem Heimweg betete ich und empfahl ihn der erfinderischen und sorgenden Liebe Gottes. Als ich am nächsten Morgen schon früh aufwachte, war mein erster Gedanke, wieder für ihn zu beten. Während dieser Zeit dachte ich an die kurz vor uns liegende Fastenzeit. Mit jungen Menschen würden wir uns auf den Weg „Bridging people: 40 days – 40 opportunieties!“ machen. Ich spürte, welche Chance mir Jesus in dieser Zeit zuspielen würde. So schrieb ich eine WhatsApp, fragend, ob ich an einem der Fastenzeit-Sonntage vorbei schauen dürfe. Eine frohe Einladung war die Antwort. Gott ist am Werk.
Ich hatte ein Gespräch mit meinem Chef. Leicht ist unsere Beziehung nicht, obwohl wir wirklich als Freunde auf dem Weg waren. Aber ich habe nicht locker gelassen, an die Kraft ehrlicher Liebe zu glauben. So habe ich bei verschiedenen Fragestellungen immer neu versucht, seine Sichtweise zu entdecken und vor allem eine Plattform für unseren Dialog zu finden. Am Ende spürte ich in meinem Herzen den tiefen Wunsch, ihm zu sagen, dass er geliebt ist. Ich musste schmunzeln, denn genau dieses Wort leben wir diesen Monat mit vielen jungen Leuten in ganz Europa. Ich war Gott sehr dankbar für die Momente des gemeinsamen Nachdenkens und der Erleuchtung.
„In der vergangenen Nacht haben drei russische Raketen mein Heimatdorf getroffen!“ hörte ich beim Frühstück und ich schaute in die Augen eines jungen Menschen aus der Ukraine. Ich spürte meine eigene Hilflosigkeit angesichts dieser russischen Zerstörungswellen. Wie konnte die Flamme der Hoffnung auf Frieden an diesem Tag genährt werden, fragte ich mich. Ich entschied mich, mit unserem ukrainischen Gast einen Besuch in dem Jugendzentrum zu machen, wo vor 27 Jahren mit dem Aufbruch in das kriegszerstörte Bosnien und Herzegowina das Friedensnetzwerk go4peace begonnen hatte. Herzlich wurden wir dort bei einem Kaffee empfangen. Im doppelten Kreuzgang des alten Klosters sprach ich über das Symbol der Traubenträger in einem der Kapitelle. Zwei Wanderer sind dort dargestellt, die zwischen sich eine übergroße Weinrebe tragen. Die im Buch Numeri erzählte Geschichte ließ junge Menschen in eine offene Zukunft aufbrechen mit dem Dreiklang: „Habt Mut! Geht! Bringt Früchte mit!“ Genau diesen Mut spürte ich im Herzen dieses jungen Ukrainers. Wir gingen zur Kirche dieses Klosters und verbrachten dort ein paar Augenblicke im Gebet. Ein warmes Licht fiel durch ein Dachfenster von oben auf die Tabernakel-Stehle, die inmitten goldener Stäbe stand. Der verborgene Gott war in dieser Gegenwart auf einmal zu spüren. „Irgendwie habe ich in diesen Augenblicken im Gebet – trotz des Krieges – gespürt: Es ist alles gut – von ganz innen her kam diese Botschaft!“ Diese Worte fielen mir tief ins Herz. Dann fuhren wir weiter.
Sie hatte mehrfach Pech bei der Führerscheinprüfung gehabt und war richtig enttäuscht und traurig. Als Flüchtling war es nicht leicht für sie gewesen und sie hatte sich sehr angestrengt. Ich konnte sie am Telefon kaum trösten. So fuhr ich am nächsten Tag zu ihr und ihrer Familie und brachte ihr einen kleinen Blumenstrauß. Beim Tee kam es zu einem lebendigen tiefen Gespräch. Beim Abschied, sagte mir ihr Mann: „Das hat sie wirklich gebraucht! Danke, dass Du immer so konkret bist!“ Zwei Tage später erhielt ich eine WhatsApp-Nachricht von ihr. Darin war sechs Mal ein kleines Herz zu finden. Die junge Frau schrieb: „Ich habe so viel von Euch lernen dürfen. Du hast ein Herz für jeden Menschen, egal aus welchem Land er kommt und welcher Religion er angehört. Das hat mich sehr berührt. Heute bat mich eine Frau aus dem Iran um 50 €. Ich habe sie ihr sofort geschickt. Danach war ich so froh, dass ich einem Menschen wirklich geholfen habe. Danke, dass Du da bist und uns dieses Leben gezeigt hast.“
„Dass Gebete erhört werden?!“So etwas passiert nicht in der realen Welt, nur weil ich gebetet und während des Gebetes geglaubt habe. Aber es passiert dann doch, und ist einfach nur unfassbar schön: Heute stand eine Gruppenarbeit in Kunst an. Plötzlich ging der Klassensprecher auf ein Mädchen zu, die es zu Hause sehr schwer hat. Der Junge bat sie, als einziges Mädchen, in seiner reinen Jungengruppe mitzuarbeiten. Das kam völlig überraschend. Die beiden haben sonst überhaupt nichts miteinander zu tun. Die 10jährige lädt selten jemand wegen ihrer Niedergeschlagenheit zu einer Gruppenarbeit ein. Die Kinder durften in einem anderen Raum arbeiten. Als ich nach einer Weile nach der Gruppe gesehen, habe ich meinen Augen zuerst nicht getraut: Das Mädchen hat seit Monaten das erste Mal wieder gelächelt!!! Sie hat sich total wohl gefühlt und Spaß mit den Jungs gehabt. Ihre Bilder waren faszinierend schön und voller Leben! Das war eine riesige Erleichterung und ein Wunder! Das pure Glück!
Über WhatsApp erreicht mich eine Sprachnachricht. Ich erfahre, dass ein betagter Mann seine letzte Lebensreise angetreten hat. Zugleich schwingt die Frage mit, ob ich noch einmal kommen könne. Ich baue meinen Tagesplan um und mache mich auf den Weg zu ihm. Eine Stunde Autofahrt. Als ich ankomme, ist die ganze Familie mit Kindern, Enkelkindern und Freund*innen versammelt. Als ich zu dem Mann in sein Zimmer gehe, schläft er. Wir beginnen mit der Familie einen Gottesdienst an seinem Bett zu feiern. Ich frage, ob ihm ein Bibelwort besonders wichtig gewesen sei? „Einer trage des anderen Last!“ Ich hole meine Einkaufstasche, die ich mitgebracht habe. Auf ihr steht genau dieses Wort. Als ich frage, wie der Vater dieses Wort gelebt habe, erzählen viele ganz konkrete Erfahrungen. Uns ist, als würde sich der Himmel öffnen. Wir spüren, dass die Liebe, die er gelebt hat, lebendig unter uns erfahrbar ist. Er schläft, die Liebe bleibt. Ein Augenblick zwischen Himmel und Erde. In unseren Tränen leuchtet schon die Ewigkeit auf.