Es schellt. Ein Mann bittet um die Krankensalbung einer Frau im Krankenhaus unserer Stadt. Ich ändere meine Pläne und fahre sofort mit dem Fahrrad zum Krankenhaus. Station 5. Eine Praktikantin führt mich zum Zimmer der Frau. Sie ist ansprechbar, spricht aber nur wenige Worte Deutsch. Das Atmen fällt ihr schwer. Ich setze mich an ihr Bett und schaue sie schweigend mit einem Blick voller Liebe an. Ihre Augen ruhen in den Meinen. Ich habe ihr Jesus in der Eucharistie und das Kranken -Öl mitgebracht. Als ich ihr beides zeige, strahlt sie und beginnt sofort das „Vater unser“ und das „Gegrüßt seist Du Maria“ auf Polnisch zu beten. Ich spende ihr mit wenigen Worten die Krankensalbung und gebe ihr das Heilige Brot zu essen. Sofort betet sie laut in ihrer Muttersprache weiter. Es klopft. Das Mittagessen wird gebracht. „Sie wird sowieso wieder nichts essen!“ sagt mir die Frau des Essensdienstes. Ich zeige der Kranken, was es zu essen gibt. Beim Joghurt geht ein Lächeln über ihr Gesicht. Da sie eine Schulter gebrochen hat, kann sie sich nur mühsam helfen. So füttere ich sie mit dem Joghurt. Löffel für Löffel. Jedes Mal ein Strahlen in ihren Augen. Als ich mich nach über einer Stunde verabschiede und unsere Augen einander lange begegnet sind, sagt sie: „Ich liebe Jesus!“ Ich erwidere: „Ich auch!“ In einem tiefen Frieden gehen wir auseinander.
Ich hatte eine lange Nachtfahrt von Kyiv zu meinem Heimatort vor mir. In meinem Abteil saß ein älterer Mann. Wir fanden miteinander in ein freundliches Gespräch. Nach einiger Zeit stieg ein Soldat zu uns ins Abteil. Der ältere Mann sprach aus ihn an. Er erzählte viel von all dem, was er in dieser Zeit erleben musste. Dann stand der Ältere auf und kam bald mit zwei Tassen Tee zurück, die er im Bord-Restaurant gekauft hatte. Und er holte noch eine dritte Tasse für mich. Obwohl ich ungern im Zug etwas trinke, trank ich den Tee mit den beiden. Wir hatten eine gute Zeit miteinander. Als wir uns verabschiedeten, ging jeder von uns mit einer echten Freude im Herzen.
Durch sein unbedachtes vorschnelles Verhalten hatte mich ein Freund verletzt. Sein schnell am Telefon dahin gesagtes: „Tut mir leid!“ konnte ich kaum nehmen. So beendete ich das Telefonat. Ich spürte, wie diese Verletzung meine Seele aufwühlte. In meinen Gedanken begann ich diesen Freund zu verurteilen. Das zog mich immer mehr herunter. Ich wollte mich von diesen negativen Gefühlen nicht lenken und leiten lassen, aber sie waren da. Ich bat Jesus in einem Stoßgebet um Hilfe. Mir fiel ein weiterer Freund ein, der mich gebeten hatte, ihn über den Verlauf einer Konferenz gut zu informieren. Um etwas „aus Liebe“ zu tun und nicht in den negativen Gefühlen hängen zu bleiben, rief ich ihn an. Ich nahm mir vor die Konferenz, die nicht sehr gut gelaufen war, ganz sachlich und wohlwollend darzustellen und nichts Überzogenes zu sagen. Ein längeres und brüderliches Gespräch entwickelte sich. Als wir uns verabschiedeten, spürte ich wieder echten Frieden in meiner Seele.
„Ich bin jetzt wieder gesund. Kannst du mich abholen?“ lese ich in einer WhatsApp. Es war am Ende eines langen Tages. Ich war müde und wusste nicht, ob ich dieser Situation emotional noch gewachsen sein würde. Dennoch machte ich mich auf den Weg. Ich bat Jesus inständig, mir beizustehen und mir einzugeben, was ich sagen soll. Ich hatte weder die Kraft, noch das Selbstbewusstsein zu diesem Zeitpunkt, komplizierte Gespräche zu führen und hielt Jesus diese Hilflosigkeit hin. Ich fühlte SEINE Nähe deutlich und konnte in diesem Vertrauen weiterfahren. Die sich anschließende Begegnung ging richtig gut. Wir sprachen über viele Dinge, die uns wichtig sind. Ich hatte den Eindruck, ER war mit dabei. Kaum war ich zu Hause, musste ich noch ein Gespräch mit einer traurigen und besorgten Mutter führen. Sie hatte große Erziehungsschwierigkeiten mit ihrem Kind. Ich musste nicht nachdenken. Ich habe einfach das gesagt, was mir ins Herz kam. Am Ende war sie sehr erleichtert, fühlte sich verstanden und war wieder zuversichtlich. Jesus hat genau das für mich getan, warum ich ihn gebeten hatte. Ich kann es immer noch nicht richtig fassen, dass so etwas wirklich passiert. Er geht wirklich jeden einzelnen Millimeter mit.
Neben dem Messbuch lag ein kleiner Zettel mit einem Namen, den ich nicht kannte. Ich erfuhr, dass dieser Mensch ganz plötzlich und völlig unerwartet im Alter von 56 Jahren aus dem Leben gerissen worden war. Seine Schwägerin überbrachte diese Botschaft. Ich spürte, wie sehr ihr dieser Tod zu Herzen ging. So versuchte ich während des Gottesdienstes, an dem sie teilnahm, die Texte des Tages auf ihre Situation hin zu deuten und einige Erfahrungen zu teilen. Nach dem Gottesdienst ließ sie mich ihre Dankbarkeit spüren. Ich spürte ihr Bedürfnis, erzählen zu dürfen, was sie in ihrer Seele spürte. Vor meinem nächsten Termin wollte ich noch zwei Besorgungen machen. Ich verschob diese in Gedanken auf später und hörte ihr aufmerksam zu. „Oh, wie gut es gut, über all das zu sprechen und auch meine Ängste aussprechen zu können. Ich hatte bisher noch niemanden gefunden, mit dem ich das teilen konnte! Von Herzen DANKE!“
Jesus hatte sich von der Lebens- und Leidensgeschichte des Lazarus tief anrühren lassen. Er hatte ihn aus seinem Grab heraus gerufen: „Komm heraus!“ Dieser Ruf war mir tief ins Herz gefallen Und ich hatte erzählt, wie ich als Jugendlicher gestottert hatte und ein junger Priester an mich „geglaubt“ und mir geholfen hatte, mich ins Leben zu wagen. Am Abend des Tages las ich einer Mail: „Als ich heute Morgen in der Messe erfahren habe, dass Du als Jugendlicher gestottert hast, sind so viele Gesichter jüngerer Menschen vor meinem inneren Auge aufgetaucht: Kinder, die jetzt schon mit Dunkelheiten und großen Hürden kämpfen müssen. Aber vielleicht ist es gerade Moni, die später Kindern mit Lernschwierigkeiten ganz viel Geduld und Liebe entgegenbringt. Und vielleicht ist es gerade Paula, die anderen verzweifelten Jugendlichen später bewusst macht, wie wertvoll sie sind. Viele andere Beispiele könnte ich noch aufzählen. Das bestärkt mich weiter darin, diesen Kindern so viel Liebe und Ermutigung zu geben, wie irgendwie möglich.“
Auf halber Strecke hatten wir uns in einem Café getroffen. Schnell fanden wir in einen tiefen und ehrlichen Austausch. Viel Sorgenvolles im Hinblick auf unsere Welt und unsere Kirche kam ins Wort, aber auch viele hoffnungsvolle kleine Zeichen. Das Licht der Hoffnung brannte spürbar unter uns. Eine Jugendliche bediente uns im Café. Sie schien noch neu im Geschäft zu sein und wirkte noch ein wenig scheu. Aber sie spürte das lebendige Miteinander an unserem Tisch und kam immer wieder um zu fragen, ob wir noch einen Wunsch hätten. Jedes Mal mühte ich mich, sie ein wenig aufzumuntern und zum Lachen zu bringen. Da wir nach dem Cappuccino Rhabarber-Saft tranken und ich den Saft sehr genoss, scherzte ich, einen „Rhabarber e.V.“ gründen zu wollen. Ob sie auch Interesse habe, beizutreten, fragten wir sie. Sie strahlte. Am Ende schenkte ich ihr unseren Kalender „Worte wie Sterne in dunkler Zeit“. Beglückt nahm sie ihn entgegen. Als wir das Café verließen, rief sie uns zu: „Danke für Eure Freundlichkeit und schauen Sie mal!“ Sie wies mit dem Finger auf eine Wand neben der Ausgangstür. Dort hing nun der Kalender – wie ein Stern in dunkler Zeit.
„Geh noch kurz in den Kleiderladen!“ kam mir als Impuls ins Herz. Obwohl der Tag übervoll war, folgte ich dem Impuls. Dort traf ich auf viele Flüchtlinge aus unserer Stadt. Ich lernte eine Lehrerin aus Cherson kennen, die mit drei Kindern gekommen war. Ihr versprach ich Socken für die Kinder, die meine Mutter zurzeit für viele Flüchtlinge strickt. Eine ältere Frau freute sich, dass wir uns begegneten. „Wegen Corona war ich lange nicht hier! Aber ich spüre wie gut es ist, dass wir uns hier treffen können!“ Schüchtern stellte sie mir ihre Freundin vor. Auch sie konnte ich herzlich zum Lachen bringen. Und ich begegnete einer Syrerin, die ich schon viele Jahre kenne. Sie ist eine hoch engagierte Frau und hat all ihre Kinder unter schweren Bedingungen ins Leben gebracht. Als ich sie begrüßte, sagte sie mir: „Wir haben auch ganz viel Essen gemacht und es verkauft. Damit haben wir 850 € gesammelt. Und die haben wir in die Ukraine geschickt. Wir müssen doch den Menschen helfen, die Hilfe brauchen!“ Ganz gerührt verließ ich wieder den Laden. Die, die wenig haben, geben denen, die gar nichts mehr haben.
In meinem Religionsunterricht in der Grundschule entstehen oft sehr vertrauensvolle Beziehungen zu den Kindern. Sie erzählen mir ehrlich, wie es ihnen geht. Die Botschaft von der unendlichen, bedingungslosen Liebe Jesu, berührt sie oft sehr, zu schön, um wahr zu sein, gerade in diesen chaotischen Zeiten. Eine Schülerin hat vor wenigen Monaten noch gesagt: „Alles an mir ist ein Fehler. Was soll Jesus an mir schon lieben?“ Nach vielen kleinen Schritten hat sie mir ein Bild geschenkt, in dem sie den Weg von ihren Zweifeln bis hin zu ihrem Glauben an Gottes Liebe gemalt hat. Das war sehr berührend für mich, ihr tiefes Glück zu sehen. En Junge meiner Klasse ist mit seinem aufbrausenden Temperament kaum noch unterrichtbar. Seine Eltern werden kaum noch mit ihm fertig und haben geäußert, ihn abzugeben. Das hat ihn zutiefst gekränkt und verunsichert. Vor wenigen Tagen brachte er völlig überraschend ein Kreuz mit in die Religionsstunde. Er hat immer gesagt: „Mich mag doch niemand!“ und wollte mir deshalb auch nicht glauben, dass ich ihn sehr mag. Dass Jesus ihn liebt, wenn seine eigenen Eltern ihn abgeben wollen, wollte er schon gar nicht glauben. Als er mir das Kreuz gab, lag darin die Hoffnung: „Vielleicht gibt es ja doch einen Gott, der mich nicht wegschicken würde, mich ertragen kann und sogar lieben, wie ich bin.“ Wir haben das Kreuz in die Mitte gelegt, und die anderen Kinder haben jeweils einen schönen Stein dazu gelegt und eine Idee genannt, wie sie mithelfen können, Liebe in die Welt zu bringen. Der Junge war sehr stolz und glücklich, weil sein Kreuz in der Mitte lag und er auch etwas für Jesus tun konnte.
Ein Tag mit einer totlangweiligen Arbeit lag vor mir. Als erster Schritt musste von meinem gesamten Computer eine Sicherungskopie erstellt werden. Für mich bedeutete das, lange auf den screen zu schauen und bei Problemen immer wieder einzugreifen. So saß ich da und fragte mich: Wie kannst Du diese Augenblicke in Ewigkeitsmomente umwandeln? Plötzlich kam mir unsere Fastenzeit-Idee in den Sinn, jeden Tag Menschen zu kontakten. Ich begann WhatsApp-Nachrichten an junge Leute in verschiedenen Ländern Europas zu versenden. Es entwickelte sich eine kommunikative Landschaft und mancher schrieb mir zurück: „Danke, dass Du an mich denkst!“
Seit Wochen hatte ich gespürt, dass es einem jüngeren Menschen nicht gut ging. Irgendwie schien das Leben schwer. Ich lud ihn auf einen Kaffee ein. Wir fanden einen guten Ort in einem Schnell-Café. Mitten im Trubel eines normalen Alltags entwickelte sich ein ehrlicher Austausch. Schnelle Lösungen für einige Fragen gab es nicht, aber es war gut, einander all die Fragen anzuvertrauen und sie damit ins Licht zu bringen. „Es tut so gut, das alles einfach zu sagen!“ durfte ich hören. Ich spürte, die Hälfte der Last war damit genommen. Ich spürte den Impuls, noch ein „Mehr an Liebe“ zu zeigen. „Was fehlt Dir denn noch in Deiner Wohnung?“ fragte ich. Die Fenster brauchten noch dringend Gardinen. So fuhren wir noch in ein Möbelhaus und besorgten all das, was noch nötig war. Als wir auseinander gingen schaute ich in Augen voller Frieden.
Ich wusste um seine Krankheit. Sie währte nun schon einige Jahre. Beim letzten Telefonat hatte ich den Eindruck, dass es ernster geworden war, obwohl er aus einer tiefen Zuversicht heraus zu leben versuchte. Ich verschob einen anderen Termin und machte mich auf den weiten Weg. Als ich ankam, nahm er mich herzlich in den Arm. „Wo kommt Du denn jetzt her?“ Als er erfuhr, dass ich eigens für ihn gekommen war ohne Begleittermine, rührte ihn das sehr. Seine Enkelin war da, ein sehr aufgewecktes Mädchen. Wir tranken Kaffee und teilten Leben. Die Enkelin machte Reime mit ihrem Opa: „Oma liegt im Liegestuhl, ihre Enk’lin find‘ das cool, im Vordergrund die Hummeln brummen, und in den Blüten Bienen summen.“ Dann lacht sie herzlich und geht in ein Nebenzimmer, um zu malen. Unser Gespräch umgreift nun die Krankheit. Ich versuche ganz da zu sein. Viel kommt ins Gespräch: Angst und Ungewissheit, tiefe Dankbarkeit und ein echtes Vertrauen. Nach drei Stunden geteilten Lebens fahre ich wieder. Am nächsten Tag lese ich in einer Mail: „ Herzlichen Dank für deine so wertvolle Nähe. Sie tut mir einfach gut – mehr als manche Medikamente!“
Mit Menschen aus 14 Nationen hatten wir Gottesdienst gefeiert – mit vielen Kindern und Jugendlichen. Alle hatten ihren Ort in der Liturgie gefunden. Der Kirchenraum war spürbar von Freude erfüllt. Ein altes Ehepaar – beide schon weit über 90 Jahre alt – waren eigens mit dem Zug über 150 Kilometer angereist, um in der Karwoche in unserer Stadt, in der sie sich sehr wohl fühlen, zu sein. Dann hatten sie die Idee gehabt, bis Ostern zu bleiben, was in dem Hotel, in dem sie untergebracht waren, auch möglich war. Im Gottesdienst hatte ich sie entdeckt und begrüßt. Nach der Messe kamen die beiden alten Leute nach vorn und sangen voller Freude ein Marienlied in ihrer Mundart. Der Mann, schon ein wenig gehbehindert, setzte sich nach dem Lied und strahlte mich an. „Was für ein Geschenk, hier sein zu dürfen. All die vielen Kinder und jungen Leute aus so vielen Ländern und jeder ist willkommen. Wenn man den Glauben verloren hat, hier kann man ihn wiederfinden!“ ließ er uns mit Tränen in den Augen wissen.
Ostersonntag Nachmittag - die kirchlichen Feierlichkeiten zu Ostern in unserer katholischen Gemeinde sind fast schon wieder vorbei. Ein kurzer Gang noch ins Büro und dann ein etwas ruhigerer Nachmittag, wie ich dachte. Auf dem Weg vom Büro ins Haus, das gleich nebenan liegt, sehe ich vor der evangelischen Kirche, die 70 Meter entfernt liegt, eine Gruppe von Menschen stehen, einer winkt mir zu. Es ist einer der evangelischen Pastoren, der dort mit einer kleinen Gruppe von Engagierten steht. Gemeinsam lassen sie Ostern ausklingen. Wir winken uns auf Entfernung zu und ich spüre den Impuls, zu der kleinen Gruppe herüberzugehen. Das tue ich und nach einer fröhlichen Begrüßung kommt die Frage an mich, wie Ostern war. So erzähle ich von unseren Begegnungen in den vergangenen Tagen, auch mit dem Netzwerk „go4peace“, das in der Gruppe bekannt ist. Es entsteht Interesse über den aktuellen Stand der Entwicklungen des Netzwerkes, die nicht so recht bekannt sind. Auch darüber berichte ich den sehr aufmerksamen Leuten. Nach verschiedenen Rückfragen berichtet die Gruppe über Entwicklungen in der evangelischen Gemeinde in Kamen, von denen ich auch noch nichts wusste. Ich habe den Eindruck, dass durch dieses ungeplante Miteinander ein Lichtstrahl des auferstandenen Jesus für uns spürbar geworden ist. Und so gehen wir nach ca. einer halben Stunde wieder auseinander, der evangelische Pastor sagt mir noch: „Danke, dass du nicht nur auf Entfernung gegrüßt hast, sondern zu uns herübergekommen bist, als wir uns sahen, das hat mich sehr gefreut, und auch, von euch zu hören, wie ihr lebt. Das meiste wusste ich noch gar nicht. Das war jetzt wie ein Update über euer Leben. Danke, danke dafür.“
In einem Video zu einem Bibelwort hatte ich erzählt, dass ich als Kind gestottert habe und mich dafür oft sehr geschämt habe. Als ich zu Ostern eine ältere Ordensschwester anrief, um ihr frohe Ostertage zu wünschen, ließ sie mich mit einer frohen Stimme wissen: „Weißt Du, das war echt ein Wunder. Viele unserer Schwestern kennen Dich ja und hätten nie gedacht, dass Du als junger Mensch mit solchen Herausforderungen zu kämpfen gehabt hättest. Wir sind es – auch bei uns im Orden – gewohnt, nur die ‚Erfolgsgeschichten‘ zu erzählen. Aber als wir Deinen Impuls gehört haben, fing eine nach der anderen an, von eigenen Herausforderungen und Unzulänglichkeiten zu erzählen – fast zwei Stunden lang. Das war ein Stück Himmel auf Erden!“
Es war spät geworden. Ich hatte mir vorgenommen, früher schlafen zu gehen. Auf meinem Handi kam noch eine Botschaft an. Entgegen meiner ursprünglichen Absicht schaute ich doch nochmals nach und las: „Bist du noch wach?" Es war ein Bauer aus dem Dorf. Kurze Zeit später hörte ich am Telefon: "Unser 89-jähriger Vater ist seit 4 Stunden verschwunden. Mein Bruder und ich haben schon das ganze Dorf und die Umgebung abgesucht, aber er ist nirgendwo zu finden. Ich weiß nicht mehr, was wir tun können." Ein verzweifelter Hilfeschrei. Ich war total berührt und zögerte keine Sekunde. "Wir helfen Euch beim Suchen!" - "Was? Das würdet Ihr echt tun? Aber ich glaub wir waren wirklich schon in allen möglichen Ecken. Ich wollt das Ganze eigentlich nur mit jemandem geteilt haben," hörte ich am anderen Ende des Apparats. "O.k. - Dann bete ich jetzt für deinen Vater!" 20 Minuten später klingelte erneut das Telefon: "Wir haben unseren Vater gefunden. Er war bei einem Dorfbewohner im Nachbardorf angekommen. Der hat uns Bescheid gegeben. DANKE für dein Gebet!" Was für ein Geschenk im Schmerz und in der Unsicherheit einander so nah sein zu können.
„Oh, wenn wir noch eine Mikrowelle bekommen könnten!“ hatte ich bei einer ukrainischen Familie aufgeschnappt. Am Sonntag darauf, galt es eine Predigt über den „ungläubigen Thomas“ zu halten. Mich faszinierte an ihm, dass er die Wunden Jesu berühren wollte. Und was ist die Kunde der Wunde? hatte ich gefragt. Werden Wunden einander gezeigt und anvertraut, wächst daraus oft eine größere Nähe, in der der lebendige Gott sich als Liebe zeigt. Und jetzt wird‘ ich konkret, hatte ich mit einem Lächeln im Gesicht den Gottesdienstteilnehmenden gesagt: „Ich brauch noch eine Mikrowelle für eine ukrainische Familie, die als Flüchtlinge in unserer Stadt wohnt und drei Kinder zu ernähren hat.“ Nach dem Gottesdienst kam ein Ehepaar mittleren Alters zu mir. Ich kannte sie nicht. „Wir sind keine Kirchgänger. Aber uns haben ihre Gedanken so angerührt, dass wir beschlossen haben, Ihnen eine fast neuwertige Mikrowelle für die Flüchtlingsfamilie zu schenken! Gebrauchen könnten wir sie noch, aber die Familie braucht sie dringender!“
Ich war auf dem Weg, meine Cousine zu besuchen. Auf dem Weg zu ihr sah ich auf dem Pfeiler einer Autobahnbrücke ein Graffiti. „J’existe!“ stand da in französischer Sprache: „Ich existiere!“ Dieses Wort ging mir nach und begleitete mich in den Nachmittag mit meiner Verwandten hinein. Es entwickelte sich ein ehrlicher und tiefer Austausch. Viel Gelungenes und auch Herausforderndes konnten wir einander anvertrauen und miteinander besprechen. Abends las ich in ihrer WhatsApp: „Danke, dass wir eine so wertvolle Zeit miteinander verbringen konnten. „J’existe!“ kam mir erneut in den Sinn. Die Botschaft des Auferstandenen: Ich existiere – bin da bei Euch. „Keiner wagte ihn zu fragen: Wer bist du? denn sie wussten dass es der Herr war, so hatte es Johannes in seinem Abschluss-Kapitel die Jünger sagen lassen.
Ich hatte zugesagt, beim Goldenen Priesterjubiläum eines Mitbruders die Predigt zu halten. Schon lange wohnte er in einem kleinen Dorf, wo er mit den Menschen sehr vertraut war. Gesundheitliche Einschränkungen machten ihm zu schaffen. Nach einem langen Anfahrtsweg erreichte ich sein Haus. Voller Freude nahm er mich auf: „Wie gut, dass Du gekommen bist!“ Schnell machte er mir noch einen Kaffee. Bei aller Freude spürte ich seine innere Anspannung. „So große Sachen kann ich eigentlich gar nicht mehr machen! Ich hab die Spannkraft nicht mehr!“ ließ er mich wissen. Im Gottesdienst versuchte ich, ihm eine lebendige Hilfe zu sein. Dann kam die Predigt. Ich teilte einige Erfahrungen, wie uns Jesus heute in den Wunden der Menschheit seine Wunden zeigt und darin geliebt sein will. Als ich mich nach der Predigt wieder neben den Jubilar setzte, beugte er sich zu mir und sagte: „Jetzt bin ich ganz ruhig und im Frieden!“
Ich stand in einem Supermarkt an der Kasse. Ich spürte, wie gestresst der Kassierer war. Zunächst fand er den Preis eines Produktes nicht. Dann kam eine Frau zurück zur Kasse und ließ ihn wissen: „Sie haben 10 € zu viel von mir kassiert!“ Kurz danach kam eine weitere Einkäuferin zurück und sagte: „Sie haben mir den falschen Kassenzettel gegeben und Sie brauchen eine Unterschrift von mir!“ Mühsam suchte er den richtigen Zettel im Papierkorb. Dann fand er keinen Kugelschreiber. Ich gab ihm einen von unseren kleinen go4peace-Kugelschreibern mit einer kleinen LED-Lampe. Schmunzelnd sagte ich: „Oft sind’s die kleinen Schritte, die uns wieder ins Licht bringen!“ Dabei leuchtete die Lampe. Er schaute mich an, lächelte und sagte aus tiefster Seele: „Danke, echt Danke!“