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Geschenkte Zeit

Meine Frau und ich waren spazieren. Bei dem Haus einer befreundeten Familie sagte sie: „Ich muss hier noch schnell etwas abgeben. Ich bin gleich wieder da.“ Ich wollte auf sie vor dem Haus auf dem Gehsteig warten. Ich wartete und wartete. Langsam wurde ich ungeduldig und negative Gedanken stiegen in mir hoch. Ich schaute auf die Uhr. Fünf Minuten wollte ich ihr noch geben, dann würde ich an der Haustüre Sturmläuten. Ganz unerwartet kam mir der Gedanke: „Segne doch in der Zwischenzeit alle die Personen, von deren Not du weißt.“ Plötzlich waren alle Ungeduld und negativen Gedanken verschwunden und ich konnte dann meiner Frau völlig gelöst begegnen. Erst später fiel mir ein, dass unser Tagesmotto lautete: „Im Alltag Gottes Liebe entdecken!“ ER hatte mir den Gedanken zum Segnen geschenkt.

Unterbrechung!

10 Generatoren hatten wir für die Ukraine besorgen können. Am nächsten Tag sollten sie mit einer Spedition in die Ukraine gebracht werden. Dazu hatten wir noch90 Pakete für Kinder und Familien der griechisch-katholischen Priester gepackt. Drei Pakete fehlten noch. Mein Tag war voller Arbeit und dennoch: Die drei Kinder dürften wir nicht „unbeschenkt“ lassen. So stand ich früh auf und fuhr in den Supermarkt, um Süßigkeiten zu besorgen. Selbstgestrickte Socken hatte ich auch noch geschenkt bekommen. Es war der Nikolaustag. Ein Schokoladen-Nikolaus war von einer stadtweiten Lehrer-Beschenk-Aktion am Vortag übrig geblieben. „Schenk ihn der Kassiererin, wer immer es sein mag!“ kam mir in den Sinn. Als ich an die Kasse kam, legte ich meine Ware aufs Band. Bevor die junge Mitarbeiterin beginnen konnte, die Waren einzuscannen, bat ich um eine kurze Unterbrechung. Erstaunt und ein wenig verwundert schaute Sie mich an. „Wissen Sie, heut ist der Nikolaustag. Und der Nikolaus kommt heut in ganz gewöhnlicher Kleidung daher!“  Dann schenkte ich ihr mit einem Lächeln den Schoko-Nikolaus. Total berührt schaute sich mich erneut an. „Oh, das hätte ich doch glatt vergessen! – Was für eine Freude! – Danke, dass Sie an mich gedacht haben!“

Behutsam

Mehreren ukrainischen Flüchtlingsfamilien hatte ich einen Weihnachtsbaum geschenkt. Im Gebet am Abend kam mir ein junges Flüchtlingsehepaar aus Afghanistan ins Herz, die ich seit mehreren Jahre kenne und denen ich bei ihrer Ankunft in Deutschland viel geholfen hatte. Per WhatsApp fragte ich an, ob sie einen Weihnachtsbaum gebrauchen könnten. Ihre Antwort: „Wir würden uns sehr darüber freuen!“ Also besorgte ich noch einen Baum und einen Ständer und fuhr zu ihnen. Sie baten mich, noch ein wenig zu bleiben – auf einen Tee. Sie hätten sich keinen Weihnachtsbaum leisten können. Aber die Kinder hatten immer wieder gefragt, ob sie auch einen bekämen. Nun stand ein Baum in ihrer kleinen Wohnung. Die Kinder spielten im Zimmer und wir saßen zu dritt und fanden in einen tiefen Austausch. Am Ende ließ mich die junge Mutter, die als 16-Jährige in Deutschland angekommen war, verstehen: „Ich hatte Gott verloren. Ich war nach den schweren Erfahrungen der Flucht total im Dunkel! Ich hatte große Angst. Du bist einfach immer wieder gekommen und warst da für uns. Durch Deine Liebe, die so echt und ehrlich war, war ich tief angerührt. Du hast mich verstehen lassen, was Wahrheit ist. Du warst der einzige neben meinem Ehemann, der mich umarmen durfte. In Deiner behutsamen Umarmung habe ich Gott neu gefunden!“ Als ich das hörte, traf es mich ins Herz. Mir kamen Tränen, den beiden ebenfalls. Gott war am Werk. In den nächsten Tagen bringe ich dieser Familie noch einen beleuchteten Stern, denn im Licht der Liebe sind wir dem begegnet, für den der Stern über Bethlehem erschienen ist.

Worte für die Ewigkeit

In unserer Nachbarschaft hatte ich mitbekommen, dass sich ein älterer Mann auf seine letzte Lebensreise machen würde. Über viele Jahre hatten wir nicht weit voneinander gewohnt und waren einander immer mit großer Freundlichkeit und Herzlichkeit begegnet. Mich bewegte die Frage, wie ich ihn noch einmal „erreichen“ könnte. Ich begegnete seinem Sohn und sprach ihn an. Ich ließ ihn verstehen, wie nahe ich mit meinen Gedanken und Gebeten bei seinem Vater war. Ich trug dem Sohn auf: „Sag bitte noch einmal Deinem Vater, ich würde fest an ihn denken und ihm für sein Leben danken!“ Zwei Tage später starb der alte Mann. Der Sohn hatte ihm meine Botschaft noch sagen können. Sie hatte sein Herz erreicht.

Als ich kurze Zeit später erfuhr, dass sich die Mutter meiner Chefin auch bald aus dieser Welt verabschieden würde, legt ich ihr eine ähnliche Bitte ans Herz. „Sag Deiner Mutter doch bitte von mir, dass sie eine tolle Tochter habe und wir uns in unserem Team sehr freuen würden, sie als Chefin zu haben.“ Sie brachte diese Botschaft ins Krankenhaus, die auch ihr Herz noch erreichte. Wenig später war sie nicht mehr ansprechbar.

Gott sucht Dich!

Am Dienstag kam der Anruf eines Herrn, der über verschiedene Umwege den Tipp bekommen hatte, in dem Begegnungszentrum, das ich leite, nachzufragen, ob wir eine ukrainische Familie mit drei Kindern aufnehmen können. Dabei sind Zwillinge, die gerade einmal 2 Monate alt sind. Ab Januar war schon eine Wohnung für die Familie gefunden, aber bis dahin brauchte es eine Zwischenlösung. Wir haben in unserem Zentrum ein Appartement, das für die Familie perfekt ist. Allerdings ist es noch bis Sonntag belegt und die Familie hätte kurzfristig für die Tage in ein Hotel gehen müssen. Nachmittags  erzählte ich meiner Mutter von dem Anruf. Spontan sagte sie: „Die Familie kann gern für die 4 Tage in mein Gästezimmer ziehen!“ Am Abend kam meiner Mutter dann das Tagesmotto in den Sinn: „Gott sucht dich!“ Wir hatten nicht damit gerechnet, dass es so konkret werden würde. Die junge Familie ist gestern gesund und munter nach einer langen Reise über Moldawien bei uns angekommen. Die Dankbarkeit von ihnen und ihren Freunden in unserer Stadt ist sehr groß.

Engagement für die Menschheit

Ich war Yulia aus der Ukraine begegnet. Sie kam aus Kherson. Unter Tränen hatte sie mir erzählt, dass das Luchansky-Krankenhaus in ihrer Stadt kaum noch Strom hatte. 9 Generatoren hatten wir schon für griechisch-katholische Gemeinden organisiert. Der Markt schien leer gefegt. Doch ich spürte: Wag’s noch einmal! Nach zwei Stunden Recherche im Internet kam mir der Impuls: Such noch eine Minute länger! Ich blieb dran. Und dort, wo eben auf Webseiten „ausverkauft“ und „zurzeit nicht lieferbar“ gestanden hatte, fand ich jetzt ein Modell mit 7,5 Kilowatt Leistung. Genau das, was wir suchten! Wenige Tage später wurde er geliefert. Als der LKW-Fahrer den Generator ablud und ich ihm sagte: „Der geht jetzt in die Ukraine nach Kherson!“ klopfte er mir mit Tränen in seinen Augen auf die Schultern und sagte: „That made my day! – Danke für Euer Engagement für die Menschheit. Ich bin Libanese. Ich weiß, was es bedeutet, Hilfe zu bekommen!“

Advent – Ankunft – Arrival

Bewegende Augenblicke hatten wir in einem adventlichen Konzert mit ukrainischen Kindern und Jugendliche erleben dürfen. Beim Solo einer 6-jährigen, bei einer Tanz-Performance vieler Kinder und beim Lied „Gott rette die Ukraine“ wie bei allen Darbietungen waren eine tiefe Freude und zugleich ein unendlicher Schmerz zu spüren. Nach dem Konzert kam eine Ukrainerin mittleren Alters zu mir. Sie hat sich entschieden, mit ihrer Familie in Deutschland zu bleiben. Sie war mit ihrer jüngeren Schwester und deren kleinen Sohn gekommen. Ihr Bruder lebte auch mittlerweile in einer Flüchtlingsunterkunft in Deutschland. Alle weit verstreut und doch einander nah. Ich schaute in ihre Augen – voller Tränen. Sie schaute mich an und ließ mich verstehen: „Ich bin so gerührt. Während des Konzertes musste ich immer wieder weinen. Danke, dass Ihr das alle möglich gemacht habt. Es ist so eine Liebe hier zu spüren!“ Dann nahm sie mich in den Arm und weinte zu Herzen gehend. Als ich später die Kirche abschloss, kamen mir Tränen. Ich durfte verstehen: Jesus - verborgen in der Mitte dieser vielen Flüchtlinge – lebendig am Werk, wie vor 2000 Jahren, als Flüchtlingskind unter Flüchtlingen, am Rande der Welt - ER, die Seele der Welt von heute.

Noch einmal!

„Kannst Du mir helfen, dass wir noch einen Stromgenerator für das Krankenhaus in Cherson bekommen?“ las ich in einer WhatsApp-Nachricht. Mein Herz stockte, dann wir hatten gerade noch 9 solcher Generatoren mit 7,5 KW für einige Bunker im Bezirk Chmelnytzkyj gefunden. Ich wusste, wie schwierig es war, weitere Geräte zu finden. Aufgrund des Krieges in der Ukraine schien der europäische Markt wie leer gefegt. Im Netz stand für das benötige Gerät auf allen verfügbaren Webseiten: „ausverkauft“ oder „zurzeit nicht verfügbar“! Ich betete kurz zu Jesus: „Wenn es Dein Wille ist, lass uns noch ein Gerät finden!“ Die Suche ging weiter. Internet-Recherche – Anrufe – Whatsapp-Kontakte… alles blieb erfolglos. Als ich aufgeben wollte, hatte ich den Eindruck eine innere Stimme zu hören, die mir sagte: „Versuch’s noch einmal!“ Erneut ging ich auf eine Internet-Plattform. Und dort, wo vor wenigen Minuten noch „zurzeit nicht verfügbar“ gestanden hatte, war ein Gerät zu kaufen. Schnell wurde ich tätig und kaufte es – immer noch unsicher, ob das nicht ein Versehen war. Der Kauf schien zu gelingen. Ich wartete auf eine Bestätigung. Spät abends bekam ich per Mail die Information: „Das Gerät wurde versandt. Es ist auf dem Weg zu Ihnen.“ Mit einer Träne im Auge machte ich mein Abendgebet.

Das hält ewig!

Seit Jahrzehnten hatten sie auf dem Marktplatz unserer Stadt ihre Produkte angeboten und waren dazu jedes Mal von weither angereist, einfache, dem Leben zugewandte ältere Leute. Jetzt hatten sie Eiserne Hochzeit gefeiert. Am Tag nach ihrem Fest kamen sie noch zur Messe in unsere Kirche, bevor sie sich mit dem Zug wieder auf den langen Heimweg machten. Es war Christkönigs-Sonntag. Ich hatte über das Königtum der Liebe Jesu gepredigt, der uns am Kreuz – dornengekrönt – zeigt, dass echte Liebe „bis ans Ende“ geht. „Diese Liebe haben Sie einander 65 Jahre zeigen dürfen!“ schlug ich am Ende der Predigt die Brücke zu den Jubilaren. Sie freuten sich sichtlich. Die alte Frau strahlte mich an und sagte zu mir: „Ich habe ja für meinen Mann noch ein Lied gedichtet und ich hab’s ihm gestern im Gottesdienst vorgesungen!“ Spontan fragte ich, ob sie es nochmals tun würde. Sie stand auf – mit ihren 91 Jahren, stellte sich vor ihren Mann und sang auswendig – ohne Mikrofon - ihr persönliches Danklied. Ihr 93-jähriger Gatte saß voller Freude in der Bank und bekam während des Liedes immer wieder einen Kuss von seiner Frau auf den Scheitel. Am Ende belohnte die Gemeinde dieses kostbare Zeichen einer spürbaren Liebe mit einem langen Applaus.

Ein vergilbter Briefumschlag

Auf dem Bürgersteig kam mir eine ältere Frau auf ihrem Elektro-Rollstuhl entgegen. Ich kenne sie schon seit längerer Zeit und wir haben immer wieder ein paar Worte gewechselt. Sie strahlt mich voller Freude an: „Wie schön, dass ich Sie hier treffe! Ich wollte Ihnen eine kleine Spende geben!“ Dann suchte sie nach einem alten vergilbten Briefumschlag und gab mir ihn. Dann verabschiedeten wir uns. Als ich ihn später in meiner Wohnung öffnete, fand ich einen Zettel mit – mittlerweile – unbeholfener Handschrift geschrieben: „Spende - für kranke Kinder ohne arme Familien“ Dazu hatte sie 10 Euro gefügt. Gerührt durch dieses Geschenk stand ich da. Diese Frau hatte nicht viel, aber ihr Herz teilte das, was sie hatte.

Neuanfang

In den vergangenen Tagen kam ein junges afghanisches Ehepaar mit ihren Söhnen in unseren Kleiderladen. Sie konnten für ihre Kinder nichts Passendes finden. Ich wusste, dass eine liebe Kollegin einen Sohn im passenden Alter hat und bestimmt sofort etwas für die Familie heraussuchen würde. Das hat sie auch getan und wir haben der afghanischen Familie die Sachen heute Abend gebracht. Es war ein total schöner und langer Abend. Sie waren so gastfreundlich und herzlich. Wir haben unser Leben geteilt und uns sehr miteinander verbunden gefühlt. Dann sagte der afghanische Mann, der mit seiner Frau in jungem Alter vor einigen Jahren unter Lebensgefahr aus seiner Heimat geflohen ist: „Ich hatte Gott verloren und bin durch die konkrete Liebe eines Menschen hier in Kamen zu ihm zurückgebracht worden. Wir hatten gar nichts, als wir ankamen und er hat sich wie ein Vater um uns gesorgt, hat Möbel, Kleidung und später sogar eine Wohnung für uns besorgt.“  Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, aber es ist wahr. Genauso war es bei der jungen Frau. Jetzt weiß ich, wie nahe uns Gott immer mit seiner Liebe ist und dass wir eine Familie ohne Grenzen sind. Mein Herz ist jetzt auch  immer bei ihm, dem nahen Gott, den ich vorher gar nicht richtig kannte. Mein Leben hat ganz neu angefangen.

Der Kühlschrank wars!

Seit Jahren kannte ich sie. Viele schwere und herausfordernde Wegetappen ihres Lebens hatte ich begleiten dürfen. Nun feierten sie Goldhochzeit. Sie kamen zu einer Messe in unsere Kirche. Im Lauf des Gottesdienstes wandte sich die Ehefrau mit einer bewegenden Botschaft an ihren Mann: „Wir haben uns vor 50 Jahren gesagt: Mit Gottes Hilfe schaffen wir das! Und wir haben das geschafft!“ Tränen waren in vielen Augen zu sehen. Dann erhob sich der Mann und an mich gewandt sagte er: „Ich hatte durch viele schlechte Erfahrungen in der Kirche meinen Glauben verloren. Ich wollte mit der Kirche nichts mehr zu tun haben. Und Du bist in der Zeit, in der es uns wirklich dreckig ging, gekommen und hast einfach geholfen. Da hast dafür gesorgt, dass unser Kühlschrank nicht mehr leer war und die Kinder was zu essen bekamen.“ Dann versagte ihm die Stimme. Er weinte. Auf einmal war eine Liebe spürbar, in der alle tief angerührt wurden.

Eine herzliche Umarmung

In einer Mail darf ich lesen: Heute war ich noch kurz bei der Pizzeria, für die ich als Jugendlicher Pizza ausgeliefert habe. Wir haben über die Jahre immer wieder Kontakt gefunden und uns auch über unseren Glauben ausgetauscht. Heute kam es wieder dazu. Als es – weihnachtlich – um Jesus ging, merkte ich, wie sich die anfangs freundliche Stimmung etwas abkühlte. Die Besitzer der Pizzeria sind Muslime. Da kam mir in den Sinn: „Aber wir haben doch all die Jahre diese freundschaftliche Beziehung gelebt und die ist doch weiterhin da, auch wenn wir in verschiedenen Religionen zu Hause sind!“ Als ich das aussprach, war auf einmal alles entkrampft und wir umarmten uns herzlich.

Großartig

Es schellt an meiner Tür. Ein psychisch belasteter Mann bittet um Einlass. Ich kenne ihn seit Jahren und habe ihm – auch finanziell – immer wieder geholfen. Ich spüre einen gewissen Unmut in mir, will ihn aber auch nicht abweisen. Ich bitte ihn herein. Es lässt mich wissen, er sei traumatisiert. Ich frage nach. In seiner Wohnung scheint es einen Wasserrohrbruch gegeben zu haben und damit war er überfordert. Er war froh, dass alles teilen zu dürfen. Am Ende unseres Gespräches gebe ich ihm eine kleine Summe Geld. Er fragt mich, ob ich wisse, wo er in der näheren Umgebung jetzt einen heißen Kakao bekommen könne. Ich entscheide mich, ihm den noch zu bereiten. Genüsslich schlürft er ihn und ich höre ihm noch ein wenig zu. Als er sich verabschiedet, sagt er mit einem tiefen Strahlen in seinen Augen: „Du bist großartig!“ – Als ich später drüber nachdenke, kommt mir: Du bist artig dem Großen (Gott) gefolgt. Mit einem Schmunzeln auf meinen Lippen geht mein Tag weiter.

Der Schmerz, eine Brücke zwischen Menschen

Ich möchte eine Geschichte über den starken Glauben einer Frau in der Ukraine erzählen. In den letzten Tagen fuhr ich mit dem Zug zu meinen Eltern. Eine Frau saß neben mir. Sie war traurig. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr, dass ihr Sohn seit März 2022 in russischer Gefangenschaft ist und sie seit 5 Monaten nicht mehr mit ihm gesprochen hat. Sie wartet nur... und sie glaubt, dass er am Leben ist und bald zurückkehren wird. Ihre Geschichte und ihr starker Glaube haben mich tief bewegt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber ich wollte sie unterstützen. Ich nahm ihre Hand und sagte: "Öffne dein Herz für Gott, erzähle ihm von deinem Schmerz und er kann ihn heilen." Danach bot ich ihr an, gemeinsam zu beten. Wir beteten... und weinten... Als es Zeit war, sich zu verabschieden, sagte sie zu mir: "Ich danke Dir! Jetzt glaube ich noch mehr an seine Freiheit."

Den Frieden leben. Und da sein.

Der erste Tag des neuen Jahres 2023 ist angebrochen. Noch ist es still. Eine Erkältung hat mich im Griff. Unten im Haus brennt noch immer das Licht von Bethlehem.  Es hat über die Jahreswende geleuchtet. Es will beschützt und geborgen sein, wie das Leben und der Friede. Ein leichter Windstoß schon bläst es aus. Die Sehnsucht, auch dieses Jahr mit vielen konkret für den Frieden in unserem Umfeld und in der Weite Europas zu leben erfüllt mein Herz – go4peace!
In einer WhatsApp-Nachricht lese ich ein Wort, angelehnt an Antoine de Saint-Exupéry: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Leute zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ In der Silvesternacht waren wir in einem Zoom-meeting mit jungen Leuten aus Albanien, Norwegen, Belgien, Slowenien, Deutschland und der Ukraine verbunden gewesen. Gelebte Nähe! Mehrere junge Leute aus der kriegsgebeutelten Ukraine hatten den brennenden Wunsch gehabt, mit uns zu sein. Aber wegen fehlender Stromversorgung oder fehlender Internetverbindung konnten sie nicht teilnehmen. Viele aus scheinbar sicheren Ländern Europas hätten dabei sein können, hatten sich jedoch entschuldigt. Sie feierten ihren Jahresübergang. Bei allem Verständnis hatte das mein Herz traurig gemacht. Wie sehr zählt doch in solchen schweren Stunden das einfache Zeichen des Daseins – oft ohne viele Worte! Es lässt verstehen: „Du bist nicht vergessen!“ Nach unserem Treffen schrieb ein junger Priester aus der Ukraine, der schon im neuen Jahr angekommen war: „Danke, dass ich das neue Jahr in dieser gelebten Verbundenheit begrüßen durfte. Das war sehr wichtig für mich!“
Zwei Jugendliche aus Armenien melden sich: „Dein Päckchen mit den beiden Logbüchern ist nach über drei Monaten bei uns angekommen. Welche Freude! Danke, dass Du uns nicht vergessen hast!“
In einem Buch von Ruth Pfau, einer bereits verstorbenen deutschen Lepraärztin in Pakistan und Afghanistan, hatte ich von einer Mail gelesen, die sie in den 90ger Jahren aus Bagdad erreicht hatte. Der Irak-Krieg war gerade ausgebrochen. Eine Gruppe junger Menschen hatte ihr aus Bagdad  „a simple message – eine ganz einfache Nachricht“ geschickt. Diese Jugendlichen halfen bereits seit längerer Zeit Familien in schwierigen Situationen und machten Krankenhausbesuche. Sie schrieben: „We wanted to let you know: we are peace and we are present!“ – „Wir möchten Euch wissen lassen: Wir leben für den Frieden und wir sind hier!“
Allein darum geht es: Den Frieden leben. Und da zu sein.

Unerwartete Botschaft

Von einem Berufskolleg war angefragt worden, ob ein paar Video-Aufnahmen möglich wären, um go4peace vorzustellen. Neugierig hatte ich nachgefragt. Das Thema „Stütze“ sei ihnen – einer 4-köpfigen Studentengruppe - als Studienarbeit aufgegeben worden und sie hätten go4peace erlebt als eine Stütze für viele Menschen. So würden sie gern mit uns drehen. Ob das möglich sei? Gern hatte ich eingewilligt. Vor gut einem halben Jahr waren die Video-Aufnahmen gemacht worden. Dann wurde es ruhig um die jungen Leute. Für mich unerwartet kam zu Beginn des neuen Jahres die Information, die Sendung sei im Lokalfernsehen ausgestrahlt worden. Sie schickten mir den Link zu. Gespannt schaute ich mir die halbstündige Sendung mit 5 unterschiedlichen Beiträgen zum Thema „Stütze“ an. Ich war beeindruckt von der Arbeit der jungen Studierenden. Aus all dem aufgenommenen Material hatten sie mit viel Geschick die Botschaft von go4peace gut verstanden und zusammen gestellt. Dankbaren Herzens ließ ich sie das wissen.

Ein Lichtblick für so viele!

Diese Woche habe ich begonnen, einer jungen aus Zentralasien geflüchteten Frau bei ihren schriftlichen Aufgaben für ihre Ausbildung zu helfen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in einer kleinen Wohnung. Heute Abend bin ich hundemüde, aber absolut glücklich. Ich darf erleben, wie sich diese tapfere junge Frau mit einer unglaublich belastenden Vergangenheit ohne eine einzige ruhige Ecke zum Arbeiten mit lebhaften, kleinen Kindern, mit ihrem Mann durchs Leben kämpft. Sie kann kaum 10 Minuten am Stück arbeiten und muss mit Ansprüchen in ihrer Ausbildung fertig werden, die in dieser Situation nur schwer zu bewältigen sind. Trotzdem geht sie immer liebevoll und geduldig mit ihren Kindern um. Diese junge Mutter ist so herzlich und rührend! Ich werde für diese Familie da sein. Die junge Frau wird ihre Ausbildung schaffen und als Pädagogin ein Lichtblick für viele Kinder sein!

Alles schien zerstört!

Sie hatte voller Hoffnung an einem Glaubenskurs teilgenommen. Und dann hatte sie erleben müssen, wie dieser Kurs für sie zu einer Last wurde. Viele ihrer Überzeugungen, mit denen sie lange gelebt hatte, waren ins Wanken gekommen. Sie hatte den Kurs abgebrochen. Dann hatte sie um ein Gespräch gebeten. „Ich hab immer geglaubt, dass Jesus leibhaft auferstanden ist. Und jetzt ist dieser Glaube zerstört worden. Ich bin total verunsichert!“ ließ sie mich wissen. Langsam tasteten wir uns an die Auferstehungs-Erfahrungen der ersten Zeuginnen und Zeugen im Evangelium heran, an Maria Magdalena, die nach dem Tod Jesu als erste erlebt hatte, dass Jesus in einer neuen Art und Weise mit ihr war. Auch die Emmaus-Jünger hatten auf ihrem Weg im vertrauensvollen Gespräch die gleichen Wirkungen erlebt, wie zu der Zeit, als sie mit Jesus in Galiläa und Judäa unterwegs gewesen waren. Die gleiche Freude, ein tiefes Verstehen und ein spürbarer Friede war ihnen geschenkt worden, genau wie auf den Wegen mit Jesus. So hatten sie verstanden, dass er auch jetzt – wenn auch nicht sichtbar -  ganz real da war. Er bewirkte das Gleiche, was er zu seinen Lebzeiten auf Erden bewirkt hatte. „Danke, danke, danke!“ entfuhr es meiner Gesprächspartnerin. Jetzt verstehe ich, dass ich neu auf meinen eigenen Alltag schauen darf, denn da will Jesus ja sein. Als wir uns verabschiedeten, schaute ich in die frohen Augen eines Menschen, der sich auf eine neue Entdeckungsreise machen wollte. Welche Geschenke uns der Auferstandene doch macht!

Sie nahm meine Hand!

Ich brauche noch einmal Deine Hilfe, lese ich in einer WhatsApp-Nachricht. Eine junge Libanesin meldet sich. Ich kann mich noch gut an sie erinnern, aber unsere letzte Begegnung liegt Jahre zurück. Mit dem Fahrrad mache ich mich auf den Weg zu ihr. Sie hat mittlerweile eine kleine Tochter. Ihr Mann hat sie verlassen. Ganz allein muss sie mit dem Kind ihr Leben meistern. Sie erzählt mir von ihrer Ausbildung. In Bezug auf die erbetene Hilfe für ihre Ausbildung finden wir einen Weg, der sie froh macht.  Immer wieder habe ich während unseres Gespräches das Kind im Blick. Es wirkt stark retardiert. Die Mutter hat den gleichen Eindruck und ein Besuch bei einer Fachärztin ist schon ausgemacht. Ich beginne, dem Kind immer wieder einen kleinen Ball zuzurollen. Sie wird aufmerksam darauf und reagiert. Bisher schien sie in ihrer Welt eingeschlossen und reagierte kaum auf Impulse von außen. Nachdem der Ball mehrfach zwischen uns beiden hin und her gerollt war, kam sie auf einmal zu mir, nahm meine Hand und zog mich zu ihrem kleinen Puppenhaus. Dort haben wir noch ein wenig weiter gespielt. Ich sah das Strahlen der Mutter. „So was hat sie schon ganz lange nicht mehr gemacht!“ hörte ich sie sagen.