Zum Hauptinhalt springen

Gott sorgt sich!

Den ganzen Tag war ich für ukrainische Flüchtlinge in ihren Belangen unterwegs gewesen. Ich hatte viele schwere Geschichten gehört. Dann fuhr ich mit einer Helferin nochmals in eine Flüchtlingsunterkunft, um dort 15 Scooter an die Kinder und Jugendlichen weiterzugeben. Ein aufgeweckter 13-Jähriger ließ mich verstehen, dass er lieber ein Fahrrad hätte, so eins, wie ich seinem Freund schon besorgt hatte. Das Tagesmotto kam mir in den Sinn: „Diene dem Leben!“ So gab ich mir trotz vorgerückter Stunde einen Schub und rief an einer Fahrradsammelstelle an. Wir konnten noch vorbei schauen. So fuhr ich mit dem Jungen zur Werkstatt. Voller Hoffnung sprang er aus dem Auto. Aber unter den Fahrrädern war für ihn kein Passendes dabei. Ich spürte seine Enttäuschung und versuchte ihn zu trösten. Als ich ihn zu seiner Familie zurückbrachte, sah ich die gleiche Enttäuschung in den Augen der Mutter. Schweren Herzens verabschiedete ich mich und fuhr noch für eine Zeit der Stille in unsere Kirche. Mir liefen die Tränen und ich ließ Jesus verstehen: „Ich hab heut alles gegeben! Kümmere Du Dich jetzt um ein Fahrrad für den ukrainischen Jungen!“ Als ich spät abends auf mein Handi schaute, ließ mich die Mutter des Kindes, dem ich ein schönes Fahrrad besorgt hatte, wissen, dass ihr  Sohn lieber einen Scooter hätte. Sie schrieb: „Und deshalb hab ich das Fahrrad an Jaroslav weitergegeben, denn ich wusste um seine Traurigkeit!“

Ihre Tattoos stießen mich ab!

Ich stehe im Supermarkt in der Schlange vor der Kasse. Die Kassiererin ist eine junge, attraktive Frau – aber leider, leider hat sie beide Arme voller Tattoos. Das mag ich gar nicht! Wie können die jungen Menschen sich bloß so verunstalten!

Es geht nicht weiter. Der Mann, der gerade bezahlen muss, kramt schwerfällig in seiner Geldbörse und findet nicht das passende Geld. Da fesselt die Kassiererin meine Aufmerksamkeit. Sie spricht ganz ruhig und sehr zugewandt mit dem Mann, der Bezahlvorgang dauert an. Endlich ist er fertig und sie schickt ihm noch einen freundlichen – keineswegs den üblichen stereotypen – Abschiedsgruß hinterher. Ich bin angerührt und nachdenklich. Zwei Leute später bin ich an der Reihe. Ich sage zu der jungen Frau: „Das tat richtig gut am frühen Morgen,  soviel freundliche Geduld zu erleben!“ Überrascht und erfreut schaut sie mir in die Augen. „Danke“, sagt sie, und wir wechseln einige persönliche Sätze. Eine Begegnung, eigentlich sogar zwei. Und vielleicht wird ihr diese Begebenheit am Ende des langen Arbeitstages in angenehmer Erinnerung bleiben. - Übrigens: ich sage nie wieder etwas Abfälliges über tätowierte junge Menschen!

Sei auf Empfang!

Bei der Konfirmationsfeier der Tochter unseres Freundes lernten wir seine Eltern kennen. Unser Freund ist alleinerziehender Vater. Die Scheidung von seiner Frau hatte viele Scherben hinterlassen und verursacht noch immer weitere Konflikte.
Nach der kirchlichen Feier ergab sich ein Gespräch mit der Mutter unseres Freundes. Ihr Schmerz und ihre Verletzlichkeit berührten uns sehr. Sie redete über die schlimmen letzten Jahre und vertraute uns alles an: Ihre Ängste, ihre Sorgen um die Enkelkinder, viele belastende Erfahrungen, ihre Hilflosigkeit, aber auch ihre Freude darüber, dass die Kinder langsam wieder Zuversicht gewinnen. Sie spürte, dass uns die Freundschaft zu ihrem Sohn wichtig ist und dass wir ihre Enkelkinder sehr gern haben.
Beim Abschied bat sie uns, bald wiederzukommen. Wir umarmten uns herzlich und wussten, dass in der kurzen Zeit eine bleibende Beziehung entstanden war, obwohl wir uns vorher noch nie gesehen hatten.

Ein Dank an den Himmel!

Eine Gruppe von 25 ukrainischen Flüchtlingen hatte sich bei einem kirchlichen Fest sehr engagiert. Daraufhin spürte ich den Impuls, sie alle noch auf ein dickes Eis einzuladen. Als ich in mein Portemonnaie schaute, sah ich, dass das Geld unmöglich für alle reichen würden. Aber meine Einladung war ausgesprochen. Mir kam das Wort „Gib und Dir wird gegeben werden!“ in den Sinn. Ich spürte den Impuls in mir, dass von mir meine Vertrauen gefordert war. Es würde sich schon ein Weg auftun. So machten wir uns auf den Weg zur Eisdiele.  Auf dem Weg dorthin begegnete ich einem Mann meines Alters. Er sah all die Ukrainer*innen bei mir und drückte mir spontan 50 € in die Hand. Lachend verabschiedeten wir uns. In der Eisdiele angekommen, sah mich eine ältere Frau. Sie hatte so eine Freude an uns als internationaler Gruppe, dass sie mit ihrem Rollator ankam und mir ebenfalls 50 € in die Hand drückte. Schmunzelnd warf ich einen Blick zum Himmel. Denn nun reichte das Geld für alle!

Geteiltes Leben

Fronleichnamstag. Ich hatte mich mit Gästen aus der Ukraine verabredet, sie um 9 Uhr an ihrer Unterkunft abzuholen. Um die gleiche Zeit begann die Messe, was ich nicht wusste. Als ich bei den Ukrainerinnen ankam, wartete ein Gruppe von zwei Erwachsenen und 5 Kindern auf mich, eine davon war eine Musikschullehrerin, die spontan einen Chor zusammen gestellt hatte. Ich brachte sie zur Kirche. Nach wenigen Minuten kamen weitere Ukrainer. Wir waren plötzlich eine Gruppe von 25 Leuten. Ich baute unter allen Beziehungsbrücken auf und bereitete mit ihnen Lieder und Interviews für die Prozessionsstation vor. So konnte ich nicht – wie geplant – an der Eucharistiefeier teilnehmen. Gegen 10 Uhr kamen die Messteilnehmer in einer kleinen Prozession zu „unserem Fronleichnams-Altar“. Die ukrainischen Gäste begannen ein ukrainisches Lied zu singen, sagten dann alle ihre Namen und woher sie kamen und ließen in einem kurzen Interview noch tief in ihre Seele blicken. Es waren bewegende Augenblicke. Bei manchem sah ich Tränen in den Augen. Als wir später in die Kirche einzogen – mit den Gottesdienstteilnehmern und den Ukrainischen Gästen – und ich zwischen den Osteuropäern Platz nahm, liefen mir die Tränen. Wir empfingen alle den feierlichen Segen und ich verstand: Gott hatte mich den ganzen Morgen Brot sein lassen für diese Menschen – so waren wir im Geheimnis der Eucharistie tief verbunden gewesen.

Frieden in Zeiten des Krieges

Woche für Woche hatten wir uns über Zoom gehört und Anteil genommen an der schwierigen Situation in der Ukraine. Aus dieser Freundschaft waren vielfältige große Projekte entstanden, die wir durch Spendenaktionen von Deutschland aus unterstützen konnten.  6 Feldküchen waren aufgebaut worden und nun wuchs ein kleines Kinderdorf für 55 Waisenkinder. Erneut hörten wir uns am Telefon. Lange erzählte unser Mitbruder, wie er immer neu seine Rolle als Priester in dieser Zeit des Krieges finden konnte. Und wie geht es Dir persönlich, fragte ich am Ende unseres Meetings: „Ich habe durch Eure Freundschaft gelernt, was ich bisher nur aus Büchern kannte. Wenn wir über Zoom zusammen sind, dann spüre ich wirklich FAMILIE. Das ist viel mehr wert, als alles Geld, was natürlich auch in dieser Zeit sehr notwendig ist. Und dann bin ich ja ein Mensch, der immer lange plant. Aber das geht in diesen Zeiten des Krieges nur bedingt. So habe ich gelernt, immer im Augenblick zu leben und dann Gott das Ruder übernehmen zu lassen. Und das bringt meiner Seele Frieden – auch in Zeiten des Krieges!“

Göttliche Kreativität

Eine Fortbildung zum Thema navi4life für Student*innen war in unserem Tiny House organisiert. Es hatte sich nur eine Teilnehmer*in angemeldet. „Und wenn es nur ein Gerechter ist, würdest du dann die Stadt Sodom verschonen?“ – Dieser abrahamitische Kuhhandel mit Gott kam mir in den Sinn. Ich rief die für die Fortbildung verantwortliche Person an und sagte ihr: „Auch für eine Person gestalten wir den Tag!“ Sie sagte zu. Am Vortag der Veranstaltung hörte ich: „Die einzige Teilnehmerin ist Corona positiv. Sie kann nicht kommen!“ Aber ich komme auf jeden Fall. Vier weitere Personen hatten wir kurzfristig noch begeistern können, doch auch von diesen vier sagte noch jemand wegen Corona wieder ab. Wir begannen den Tag. Es kam ein sehr lebendiger und tiefreichender Austausch unter uns in Gang. Mehr und mehr öffnete sich jeder. Die nachmittägliche Reflexion wurde ein highlight. „Für mich war es kein  Fortbildungstag, es war ein Exerzitien-Tag. Ich bin Gott neu auf die Spur gekommen!“ - „Ich bin so froh, dass ich allein – und damit ohne eine Rollenerwartung - kommen konnte! Ich hab gespürt, wie sehr Gott mich liebt und mich in so vielem anspricht! Ich fahre mit einer großen Freude im Herzen wieder nach Hause!“ – Keine Person der avisierten Zielgruppe war gekommen. Es hatte sich eine unerwartet bunte Gruppe zusammen gefunden, die den Weg des navi4life innig mitgegangen war. Gott baut Kirche, durch seinen Geist. Du weißt nicht woher er kommt und wohin er (Dich) weht.

Mach Dich arm vor Deinem Nächsten!

Mit diesem Motto war ich in den Tag gestartet. Nachmittags besuchte ich eine Veranstaltung, die im Rahmen der „interkulturellen Woche“ veranstaltet wurde. Ich traf manches bekannte Gesicht. Auf einer Bank saß eine Frau mit Kopftuch. Sie schien ein wenig verloren. Ich setzte mich zu ihr auf die Bank und begann vorsichtig ein Gespräch. Ich staunte, wie gut sie unsere Sprache gelernt hatte. Sie war vor drei Jahren als Kurdin in unser Land gekommen. Ein gleichaltriger Mann gesellte sich zu uns. Sie stellte ihn als ihren Mann vor. Er hatte lange Jahre in einem pädagogischen Beruf gearbeitet und hatte sich dann aufgrund seiner Nationalität versteckt halten müssen. Nun waren sie in Deutschland. Wir sprachen über eine Stunde miteinander. Am Ende des Gespräches sagte der Mann: „Wie schön, dass Sie mit uns so lange gesprochen haben. Unsere Herzen sind sich begegnet!“

Danke!

Die Schülersprecher einer Realschule hatten mich eingeladen. Sie wollten etwas über die konkrete Situation und unsere Hilfsprojekte in der Ukraine erfahren. Zugleich wollten sie mir das Geld eines Benefiz-Laufes für eines dieser Spendenprojekte geben. Gebannt hörten sie alle zu und stellten Fragen. Sie baten mich, ein wenig von dem Friedensweg go4peace zu erzählen. U.a. sprach ich von einem Land im Südosten Europas, das mit „A“ beginne. Sofort meldete sich der jüngste der Klassensprecher und fragte. „Ist das Albanien?“ Als ich bejahte, strahlte er und ließ mich wissen: „Da komme ich nämlich her!“ Er war tief berührt, dass ich schon mehrmals in seinem Land war und viel seiner Heimat kannte. Ich spürte, wie sehr er sich geliebt fühlte. Als ich am Ende der Stunde noch kurz zu ihm ging und in seiner Muttersprache Danke / Falemenderit sagte, schaute er mich glücklich an. Dann ging er in die Pause.

Ich blieb dran!

Der Schwiegervater unserer Chefsekretärin, (wir haben ein recht enges Verhältnis) , ist zur Zeit in der Kurzzeitpflege an meinem Arbeitsort untergebracht, während sie und ihr Mann endlich ein paar Tage Urlaub haben. Sie kümmern sich schon seit 8 Jahren um den altgewordenen Vater. Ich hatte versprochen, mich an meinen beiden freien Abenden um den alten Mann zu kümmern und ihn in der Einrichtung zu besuchen. Heute war mein Tag so anstrengend, dass ich meine Zusage echt schon bereute. Zudem war ich gestern vor der Pflegeeinrichtung so unglücklich gestolpert. Aber ich hatte mein Wort gegeben…. Ich kam echt ins Grübeln und suchte eine Ausrede! Die fand ich nicht, und das heutige Motto lautete: Schenk Deine Nähe! Ertappt! Müde, aber treu habe ich mich nach meiner Arbeit auf den Weg gemacht. Jede Ampel war rot und ein Parkplatz war auch nicht so leicht zu finden. Aber, dran bleiben! Der alte Herr strahlte, als ich in sein Zimmer kam. Wir haben ganz viel erzählt, face-time mit der Familie gehabt und ganz viel gelacht. Ich bin doppelt so lange geblieben, wie ursprünglich geplant. Ganz glücklich haben wir uns verabschiedet und meine Energie war irgendwie wieder da…. Welche Kraft im Evangelium verborgen liegt, ich stehe immer wieder staunend davor!

Hab Vertrauen!

Pilotphase des Projektes navi4life war geplant. An drei Tagen würden wir mit dem Tiny House vor der Gesamtschule unserer Stadt stehen. Wir brauchten für die out-door-Projektphase gutes, vor allem trockenes Wetter. Das Projekt lebt von dem außergewöhnlichen, einladenden Ambiente des Tiny Houses. An den ersten beiden Tagen lief alles – wetter- und projektmäßig – gut. Am Morgen des letzten Tages wurde ich morgens von einem Starkregen in meiner Stadt geweckt. Wie sollte nun alles werden? Würden wir alles ins Schulgebäude verlegen müssen? Darunter würde die Projekt-Dynamik sehr leiden. Ich schaute auf einige Wetter-Apps. Die Unsicherheit blieb. Ich spürte: Lass all diese Fragen auf Gott hin los und bitte IHN um das, was wir für diesen Tag brauchen. Es liegt in Seiner Hand. Dann schlief ich ein. Am frühen Morgen des Tages, als wir zur Schule aufbrachen, hatte sich der Regen gelegt. Einige Wolken, die über unserer Stadt hingen, brachten keinen Regen mehr. Es blieb trocken und wurde schließlich ein sonniger Tag. Die beiden Projekt-Gruppen, die wir betreuten, arbeiteten gut mit. Am Abend fiel ich mit einem tief dankbaren Herzen ins Bett.

Edelsteine

Ich hatte einige Frauen aus der Ukraine mit großem künstlerischen Talent gebeten, eine große Europakarte auf die Wand unserer Zentrums zu malen. Gern hatten sie  zugesagt. Wir hatten Farben und Pinsel besorgt. Nun sollte es losgehen. Mit meinem Laptop und einem Projektor warfen wir eine Europakarte an die Wand. Die beiden Künstlerinnen und ein Jugendlicher malten die Grenzlinien und die Ländernamen mit großer Genauigkeit nach. Ich hatte für diesen ersten Schritt eine Stunde eingeplant und es warteten noch viele Aufgaben auf mich. Nach zweieinhalb Stunden bat ich, den Laptop mitnehmen zu dürfen. Aber es zeigte sich, dass er noch weiterhin gebraucht würde. Damit konnte ich meine Arbeit nicht fortsetzen. „Jede Schwierigkeit eine Chance!“ dachte ich mir. Ich ging in einen Laden und kaufte Aprikosen und Erdbeeren. Ich richtete sie her und stellte sie im Zentrum auf den Tisch. Bald wurde Mittagspause gemacht. Dann ging die Arbeit weiter. Abends dankte ich einer der Künstlerinnen für ihre liebevolle und kompetente Art und Arbeit. Zu später Stunde erreichte mich noch eine Nachricht: „Danke für Deine warmen Worte, lieber Meinolf! Ich schätze es sehr, was Du alles für uns getan hast. Wir haben einen wunderbaren Tag in einer liebevoll freundlichen Atmosphäre verbracht!“

Nicht einsam - sondern gemeinsam

“Hi, ich habe schon bestanden!” So las ich in einer Kurzmitteilung eines jungen Mannes aus Eritrea, den ich schon seit Jahren begleite. Es war nicht immer leicht gewesen, denn er ist jemand, der sich manchmal für längere Zeit einfach zurückgezogen hatte. Er hatte sich manchmal mit seinem Leben schwer getan, nicht an sich geglaubt und somit schwierige Zeiten hinter sich. Immer jedoch hatte und habe ich den Kontakt zu ihm gesucht, versucht, ihn aus seinem Loch zu holen, ihm zugesprochen und ermutigt, weiterzugehen und nicht aufzugeben, sondern etwas aus sich zu machen, und die Möglichkeiten hier in Deutschland zu nutzen. Wie froh war ich, nun zu lesen, dass er die mündliche Abschlussprüfung bestanden hatte. In einem Telefonat erzählte er mir, dass er sie sogar mit zwei bestanden hatte, während er vorher die schriftliche Prüfung nicht bestanden hatte. Mit Schreiben und Lesen tut er sich nach wie vor schwer. Er war stolz darauf, so ein gutes Ergebnis erreicht zu haben. Und auch ich habe innerlich einen Luftsprung gemacht! Es war für mich eine große Freude zu sehen, dass all die investierten Gespräche und Stunden am Telefon sich doch gelohnt haben und eine tragfähige Beziehung zu dem jungen Mann entstanden war., die ihn jetzt so weit gebracht hatte.  Ich musste an unser Monatsmotto denken und verstand neu, wie wichtig es ist: Nicht einsam, sondern gemeinsam!

Zwiebel-Sorge

Es war Feiertag. Eine innere Stimme ließ mich verstehen: „Bring die Kartoffeln und Zwiebeln, die Du am Erntedankfest geschenkt bekommen hast, noch zu einer ukrainischen Familie mit drei Kindern!“ So erntete ich noch schnell ein paar Äpfel und machte mich mit einem großen Karton Früchte auf meinem Fahrrad auf den Weg. Da ich den Nachnamen der Familie noch nicht kannte, musste ich mich im Haus durchfragen. Endlich fand ich sie. Als sie die Tür öffneten, war die Freude unbeschreiblich groß. Schnell baten sie mich herein, boten mir Pilze an, die sie eben noch gesucht hatten und verschiedenste Früchte, die sie eingemacht hatten. Und dann gab’s noch selbstgebackenes Brot und selbstgemachten Käse. Ich war ganz gerührt. Beim Blick in meine Früchtekiste füllten sich die Augen der jungen Mutter mit Tränen. Sie ließ mich verstehen: „Unsere Freunde waren heute Morgen bei uns. Sie hatten nicht mitbekommen, dass der dritte Oktober in Deutschland Feiertag ist und die Geschäfte geschlossen sind. Nun brauchten sie dringend Zwiebeln. Wir haben ihnen dann all unsere Zwiebeln gegeben, die wir noch hatten. Und jetzt bringst Du uns neue Zwiebeln. Gott sorgt sich immer um uns!“

Ich versuchte jedem nah zu sein!

I tried to be close to everyone!

Als wir am Donnerstag, dem 24.2.  erschüttert realisieren mussten, dass in der Ukraine Krieg begonnen hatte, war in dem Altenheim, in dem ich arbeite, eine Karnevalsfeier geplant. Aber daran war nicht zu denken. Die Stimmung im Haus war sehr bedrückt, eine Bewohnerin weinte und erinnerte sich an ihrer eigenen Kriegserfahrungen.
Beim nächsten Dienst spürte ich eine Beklemmung in meiner Seele. So betete ich auf dem Weg zum Dienst, Gott möge mir helfen, ganz für jeden einzelnen Menschen da zu sein, um Hoffnung schenken zu können. Ich kam an und traf gleich auf zwei Mitarbeiter, die mit Tränen in den Augen von ihrer Erschütterung und ihren Ängste erzählten. „Was können wir nur für die Menschen in der Ukraine tun? Fragten sie sich und mich. Einige Bewohner, denen es sonst schwer fällt über vergangene Zeiten zu reden, erzählten von ihren eigenen Erlebnissen aus den Zeiten des Krieges und der Flucht. Ein junger Familienvater vertraute mir an, dass er als  Reservist bei der Bundeswehr sei. Ihm gingen die Bilder von den Männern, die sich in der Ukraine von ihren Frauen und Kindern verabschieden mussten, besonders nah.
Eine Kollegin kommt aus Russland. Sie wirkte sehr bedrückt. Ich sagte nicht viel, streckte meine Arme aus und wir umarmten uns eine ganze Minute lang. Dann sagten wir uns: „Wir beten für all diese Menschen, die unschuldig betroffen sind - in der Ukraine undin Russland. Als wir uns aus unserer Umarmung lösten, sagte sie mit Tränen in den Augen: Ich habe richtig Gänsehaut. Es tat so gut.

Ich geb Dir, was ich habe...

Der Krieg in der Ukraine hatte begonnen. Ich war tief geschockt über die Bilder der Zerstörung, die ich sah. Viele Erfahrungen aus dem Balkan-Krieg wurden wach in meinem Herzen. Ich rief einen befreundeten Priester in der Ukraine an. Er hatte mit seiner Gruppe Kiew verlassen müssen, da die Situation zu gefährlich geworden war. Er erzählte von kleinen Dörfern in denen er nun war. Ungezählte Flüchtlinge kamen Tag für Tag durch das Gebiet dieser Dörfer – vor allem Mütter mit ihren Kindern. Die Bewohner der Dörfer waren mittlerweile überlastet. Sie hatten nichts mehr, was sie den Flüchtlingen anbieten konnten. „Wir müssen unsere Hilfe strukturieren und systematisieren!“ sagte der Mitbruder mir. Auf meine Nachfrage ließ er mich wissen, dass es vor allem jetzt Feldküchen brauche, um die vielen Flüchtlinge zu versorgen. Er hatte alles was es für 6 solcher Küchen brauchte zusammen gestellt. Dafür würden knapp 90.000 € benötigt. Ich saß am Telefon und spürte diese Not auf einmal als eine konkrete Frage Gottes an mich: „Glaubst Du, Meinolf, dass Du das mit meiner Hilfe versprechen kannst?“ Ich wagte den Sprung, gab mein Vertrauen und begann für die finanzielle Unterstützung zu arbeiten. Heute – gut 14 Tage nach diesem ersten Telefonat – ist bereits weit über die Hälfte des Geldes zusammen. Täglich kommen Anrufe wildfremder Menschen, die ihren Teil geben, damit das Wunder der Brotvermehrung geschehen kann.

... aber mein Onkel!

Ich hatte  mein Auto vor einem großen Supermarkt geparkt und war auf dem Weg zum Einkauf. Plötzlich fiel mir auf, dass ich keine Maske trug.  Ein kleines Mädchen, das ich vom Schulunterricht her kannte, sah mich und grüßte mich freundlich. Sie sagte: „Du trägst ja gar keine Maske!“ Lächelnd fragte ich sie: „Hast Du denn eine für mich, denn ich hab keine mitgenommen?“ Sie strahlte mich an: „Nein, ich hab auch keine, aber mein Onkel, der hat bestimmt eine für Dich!“ Dann ging sie mit mir zu ihrem Onkel. Er kam aus der Ukraine und gab mir gern eine Maske. Er wollte kein Geld dafür haben. Er war froh, dass er mir etwas schenken konnte.

Auf der Suche nach Fahrrädern

„Wäre es möglich in euren Netzwerken zu fragen, ob jemand ein Fahrrad zu verschenken oder auszuleihen hätte? Wir sind auf der Suche nach Fahrrädern für einen Jungen (12 Jahre alt, circa 1,55m groß) und seine Mama (circa 1,70 groß), aus der Ukraine, die seit 8 Tagen bei uns wohnen“, lese ich in einer Nachricht. „Bittet und Euch wird gegeben werden!“ schießt mir durch den Kopf. Sofort mache ich mich ans Werk, und verschicke die Botschaft via SMS, WhatsApp und Mails an über 500 Personen. Nach wenigen Augenblicken kommen Antworten. „Wir hätten ein kleines Frauen Fahrrad in 26 Zoll zu verschenken!“ und: „Wir hätten ein Mountainbike, welches wir verschenken würden, müssten es allerdings erst noch neu „bereifen“.

Es drängte sie zu bleiben!

Eine Woche lang hatten wir im hybriden Sommercamp an 7 Orten Europas vernetzt zusammen gelebt und uns für den Frieden engagiert. Im Camp in meiner Stadt waren fast 100 Ukrainer*innen engagiert. Jeden Morgen begannen wir mit einem kleinen Motto aus dem Tages-Evangelium. Am vorletzten Tag lasen wir im Evangelium: „Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu!“ Wir verstanden: Maria war im Hören auf Jesus ganz auf das Wirken Gottes ausgerichtet. So war unser Motto: „Gott ist am Werk, entdeck es!“ Bei unserem Abschlusstreffen am nächsten Tag dankte ich den Ukrainischen Campteilnehmer*innen für die viele Liebe, die sie im Camp investiert hatten. In dieser Liebe – so ließ ich sie verstehen – war und ist Gott am Werk, denn ER ist die Liebe. Spät abends schrieb mir eine Ukrainerin: „Danke für diese wunderbare Zeit. Ich habe einen so tiefen Frieden in mir gespürt. Ich werde in die Ukraine zurück kehren, aber ich habe mich bei dem Gedanken ertappt, hier bleiben zu wollen, weil ich unter uns ein Leben entdeckt habe, das ich vorher nicht kannte."

Gott ist am Werk!

Eine Gruppe junger Frauen war für einen Tag zu uns ins Sommercamp gestoßen. Das Tagesmotto, dem wir folgten, war: „Gott ist am Werk, entdeck es!“ Im Gesicht einer der jungen Frauen sah ich eine tiefe Traurigkeit – auch während der vormittäglichen Workshoparbeit. Mittags nahm ich mir vor, mich an ihren Tisch zu setzen. Als ich in den Speisesaal kam, war neben ihr ein Platz frei. Ich setzte mich mit meinem Teller zu ihr, fragte sie nach ihrem Namen und erzählte ein wenig von mir und den ganzen Aktivitäten des Camps und von den vielen ukrainischen Freunden, die sich so engagiert in die Workshops einbrachten. Als sich die Gruppe am Spätnachmittag wieder verabschiedete, versuchte ich jedem noch einmal ganz persönlich nahe zu sein und einen Brückenschlag von Herz zu Herz zu ermöglichen. Dann fuhren sie. Einen Tag später durfte ich in einer WhatsApp-Nachricht mit Blick auf diese junge Frau lesen: „Als wir abends nochmals den Tag anschauten, war sie wie verwandelt. Sie erzählte total offen und mit großem Interesse von ihrem Tag. Und am nächsten Tag ergab sich ein Gespräch von großer Tiefe. Alles Leid und allen Schmerz konnte sie auf einmal anvertrauen!“