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Ich bin glücklich!

Ich hatte mir vier Butterbrote für eine lange Autofahrt nach Polen geschmiert. Am Abend des Tages waren noch zwei übrig. Eine Stimme in mir ließ mich verstehen, sie im Kühlschrank aufzubewahren und nicht zu essen. Ich war mit sechs junge Leuten unterwegs. Als wir zwei Tage später in der Frühe des Tages wieder heimfuhren und noch kein Frühstück bekommen konnten, ließ mich ein Mädchen aus der Gruppe verstehen, dass sie ohne Frühstück kaum durchhalten würde. Strahlend präsentierte ich ihr die beiden immer noch frischen Brote. Sie aß sie voller Freude: „Boh, sind die noch lecker!“ Die dankbare Freude dieses Mädchens ließ mich selber mit frohem Herzen die Reise antreten.

Mit einer kleinen Gruppe Jugendlicher war ich auf dem Weg nach Rajsko bei Oswiecim, um dort am 30jährigen Jubiläum eines Kinderdorfes teilzunehmen. Kurz vor der polnischen Grenze hielten wir an einer Raststätte an, um die Toiletten aufzusuchen. Jeder erhielt dafür einen Gutschein-Bon, der im Laden eingelöst werden konnte. Als ich die sechs Jugendlichen fragte, ob noch jemand meinen Bon bräuchte und sie verneinten, bekam das der Kassierer, bei dem ich kurz vorher meine Tankrechnung beglichen hatte und ein wenig mit ihm gescherzt hatte, mit und sagte mir: „Kommen Sie!“ Dann hielt er mir einen Schoko-Riegel hin und sagte: „Der kostet genau den Wert des Bons!“ Voller Freude nahm ich die Schokolade dankend entgegen und gab sie einer der Studentinnen, die gerade neben mir stand weiter, worüber sie sich sehr freute.

Es hatte begonnen zu regnen. Wir hatten zwei Mütter mit ihren durchnässten Kindern ins Pfarrbüro gebeten, um ihnen vor dem Regen Schutz zu bieten. Eine der beiden schaute mich mit großen Augen an und sagte: „Sie sind doch Pastor – oder?“ Ich lächelte und antworte: „Ja klar und was für einer!“ – Lachend erwiderte sie: „Ich kenne sie. Wir sind uns schon einmal begegnet und irgendwie war das ganz kostbar. Das kommt gerade alles in meinem Herzen wieder hoch und ich spüre, wie bewegt ich bin! Und dankbar! Ich hab den Wunsch, auch wieder zur Kirche zu kommen…“ Dann zeigte ich ihr und ihrer Freundin unser Tiny House im Garten und erzählte von dem Projektweg navi4life, der jungen Leuten ins Leben hilft. „Toll, dass Sie so etwas machen! Das brauchen wir so sehr! Irgendwie ist das auch noch mein Thema!“ Dann verabschiedeten wir uns. Als ich die beiden jungen Mütter eine Stunde später auf einem Kinderspielplatz sah, brachte ich ihnen noch eine Schokolade und das Logbuch 1: Mein Leben – windschief und glänzend. Voller Freude schaute sie mich an und ließ mich wissen: Wir sehen uns bald wieder, ich komme zum Tag der offenen Tür am Tiny House.

Als Kind war sie von ihrem Vater nie wirklich geliebt worden. Das hatte sie tief verletzt und in ihrer Seele klein gehalten. Nun war der Schulabschluss geschafft. Sie hatte sich ein wertschätzendes Zeichen ihres Vaters gewünscht, der ihre Familie schon lange verlassen hatte. Vergebens. Ihr Großvater hatte das alles miterlebt. Er hatte selber lange gebraucht, seine eigene Vater-Beziehung zu verarbeiten. Auch ihm waren als Kind viele Demütigungen zugemutet worden. Ein Gespräch zwischen Opa und Enkelin ergab sich. Der alte Mann nahm sich sehr einfühlsam viel Zeit. Er begann zu erzählen, wie schwer es für ihn gewesen war, in eine gesunde Distanz zu seinem Vater zu kommen, die ihm geholfen hatte, seelisch auf die eigenen Beine zu kommen. Geduldig hörte die junge Frau zu. Sie spürte, die Liebe ihres Großvaters und sie verstand, wie wichtig der Weg der Aufarbeitung für ihn gewesen war. So lange wie er, wollte sie in ihrem Leben nicht warten. Sie entschied sich, Hilfe zu holen.