Ich bin glücklich!
Ich hatte mein Handi vergessen und musste deshalb nochmals kurz nach Hause. Nicht weit von meinem Haus entfernt stand ein Auto, in dem zwei Ehepaare saßen. Sie suchten nach der Adresse einer Frau, die Portraits malte. Ich wusste, dass diese über beide Ohren voll mit Arbeit in diesen Tagen keine neuen Projekte würde beginnen können. Interessiert fragte ich, für wen sie denn ein Porträt malen lassen wollten. Sie erzählten, dass ihre Mutter verstorben sei und sie schon in drei Tagen beerdigt würde. Gern würden sie ein Foto ihrer Mutter neben den Sarg stellen, sie hatten aber nur ein kleines Passfoto ihrer Mutter. In einem Fotografengeschäft waren sie abgewiesen worden, deshalb hatten sie an ein Porträt gedacht. Ich schaute mir das Passfoto an und ließ sie verstehen, dass ich ihnen helfen könne. In meinem Büro vergrößerte ich das Foto und wir rahmten es. Nach einer Stunde Arbeit war alles erledigt. Als die vier nach dem Preis fragten, ließ ich sie verstehen, dass ich für diese Arbeit für eine Verstorbene kein Geld nehmen würde. Mit Tränen in den Augen verabschiedeten sich. Sie riefen mir noch nach: „Was für ein Geschenk, Ihnen begegnet zu sein. Diese Begegnung wird auch in 20 Jahren in uns noch lebendig sein.“
Eine Botschaft erreicht mich aus der Ukraine. „Ich liege noch im Bett und versuche ein wenig Schlaf nachzuholen, denn letzte Nacht war wieder ein Angriff auf unser Stadtviertel. Wir haben zu zweit im Korridor unseres Hochhauses gesessen. Ich habe versucht, stark zu bleiben, um meine Mitbewohnerin zu trösten und ihr Halt zu geben.“ Dann höre ich in einer angehängten Audio-Datei zwei Minuten lang die Einschläge der Raketensplitter und Martinshörer. Eine gespenstische und bedrohliche Situation. Ich spüre die Angst all derer, die das wieder aushalten mussten. Ich sehe die Zeit, in der das Audio aufgenommen wurde: 3 Uhr morgens. Tief erschüttert und bewegt höre ich mir diesen Lärm der Zerstörung zwei Mal an und bete dabei für die, deren Lebenssituation es jetzt ist. Der geteilte Schmerz und die geteilte Angst werden zu einer Brücke der Liebe.
Im Anschluss an einen Gottesdienst ging ich noch in eine nahe gelegene Bäckerei, um ein Brot zu kaufen. Unerwartet traf ich dort auf die Küsterin der Kirche, die sich für zwischendurch ein leckeres Brötchen kaufte. In der Schlange stehend wies sie auf eine der Verkäuferinnen und ließ mich wissen, dass sie nach einem Rosenkranz gefragt habe. Auf dem Heimweg von der Kirche erinnerte ich mich an ein Tagesmotto, das wir mit Jugendlichen in Sarajevo zu Beginn dieses Jahrtausends gelebt hatten und das eine echte Dynamik hervorgebracht hatte: „Uviek i odmah!“ (immer und sofort). Vor meinem inneren Auge tauchten all die Gesichter der Jugendlichen auf und ich spürte eine solche Freude in meinem Herzen, dass ich – als ich zu Hause war, meinen schönsten Rosenkranz aus Betlehem einpackte und ihr in das kleine Dorf brachte. Als ich der Verkäuferin das kleine Päckchen gab, schaute ich in strahlende Augen.
Bei einer Zusammenkunft von Priestern hatten wir uns in verschiedene Arbeitsgruppen aufgeteilt. In der Gruppe, in der ich mitarbeitete, ging es um die Sakramentalität des Priestertums. Einige Brüder wirkten sehr entmutigt angesichts innerkirchlicher Entwicklungen. Sie fühlten sich nicht mehr mitgetragen. Ich teilte meine Erfahrung, sehr gerne Eucharistie zu feiern. „Aber der gleiche Jesus, der mir in der Eucharistie als Quelle begegnet, ist für mich auch erlebbar, wenn sich ehrliche und authentische Begegnungen ereignen. Dann spüre ich: Jesus ist verborgen da und erfüllt mein Herz mit einer tiefe Freude,“ sagte ich. Am Ende des Treffens kam ein Mitbruder, der vor über 30 Jahren in meiner Heimatpfarrei ein Praktikum gemacht hatte und den ich über Jahre nicht mehr gesehen hatte. Er setzte sich neben mich und sagte: „Es tat mir so gut, was Du eben von dir geteilt hast. Ich mache die gleiche Erfahrung. Übrigens, lebt deine Mutter noch?“ Als ich bejahte, fragte er weiter und nannte genau die Straße, in der er sie vor langer Zeit besucht hatte. „Das war damals eine so schöne Begegnung. Deshalb hab ich mir auch die Straße gemerkt!“
