Ich bin glücklich!
Am Abend des Tages stand ein Hochschulchorkonzert an. Ich war mit bei den Akteuren, hatte aber ein wenig Bammel vor meinem Part, da es mir schwer fiel, den Anfangston meines Solos genau zu treffen. Und die Stimmgabel durfte ich nicht benutzen. Alle anderen Solisten hatten ein Vorspiel vor ihrem Part, in dem sie sich bereits in die Tonart einhören konnten. Beim Üben fand ich immer den Ton. So wuchs in mir Zuversicht!
Beim Konzert allerdings mißlang mein Einsatz. Der Chorleiter mußte abbrechen, gab mir meinen Ton von der Orgel und ich konnte neu starten. Ich fragte mich nach dem Auftritt: Warum ausgerechnet jetzt? Dann kam eine Freundin zu mir und sagte, ich hätte so eine tolle Stimme, das klänge so spielerisch! Und der Chorleiter sagte mir: "Nachdem wir neu angefangen haben, hast du um dein Leben gesungen! So toll hast du das bei keiner Probe gemacht!" Sogar im Bus später srpach mich noch ein Kommilitone an und sagte: “Weißt du, dein Neu-Einsatz ist außer den Musikstudenten niemandem aufgefallen! Außerdem ist das mir persönlich auch beim ersten Soloauftritt passiert!” Langsam wich der Ärger, meinen Ansprüchen nicht genügt zu haben. Ich freute mich auf dem Semesterschlussgottesdienst, zu dem ich wegen der Parallelveranstaltung unseres Konzerts zu spät kam. Genau beim Friedensgruß kam ich mit meinen Freunden in der Kirche an. Als wir durch die Tür gingen, kehrte in mir wieder der Frieden ein. Schmunzelnd dachte ich an “DIE TÜR”. Das letzte Lied des Chörchens sang ich dann aus voller Seele mit.
Dein Wille mein Weg. Vor ein paar Tagen war uns eine Austauschstudentin für unsere Uni zugesagt worden. Ich verstand das als “Anruf” an mich. So hab ich den Tag ihrer Ankunft ganz für sie gelebt. Ich bin morgens um 10 Uhr zum Flughafen gefahren, um sie abzuholen. Erst nachmittags um 17 Uhr waren wir zurück. Ich bin noch mit zu ihrer Gastfamilie gefahren und war dann erst – völlig erschöpft – um 19 Uhr Zuhause. Erschöpft, aber glücklich, denn ich habe gespürt, wie sehr sie sich über „jemanden“ gefreut hat, der sie einfach durch das deutsche Chaos bringt, der sie abholt und sie begleitet, ihr hilft „anzukommen“ in einem fremden Land, vor allem bei der ersten Reise außerhalb ihres Heimatlandes.
Auch die Folgetage waren noch sehr geprägt durch sie. Ich spürte immer wieder den Impuls, ihr Zeit zu schenken. So hab ich ihr an einem der ersten Tage die Uni gezeigt und hab ihr geholfen, "Bürokratisches" zu erledigen.
Am folgenden Tag fragte sie mich beim Mittagessen, ob ich ihr die Uni-Stadt ein wenig zeigen könne. Eigentlich musste ich dringend für anstehende Examen lernen. Doch meiner inneren Stimme folgend, sagte ich zu. Wir organisierten ihr ein Handy, eröffneten ein Konto bei der Sparkasse, kamen aber auch wirklich gut ins Gespräch bei einer Tasse Kaffee. Es war eine tolle Zeit, wir hatten sehr viel Spaß zusammen - immer beheimatet im Willen Gottes des Augenblicks.
Irgendwie fühlte ich mich immer noch nicht ganz wohl. Erkältungs- und Muskelschmerzen blieben treu. In meinem Kalender türmten sich viele kleine Dinge, die es zu tun galt. Der richtige Schwung wollte sich einfach nicht einstellen. Schon mehrfach war ich heute unbedacht durch Türen gegangen. Jetzt erinnerte ich mich daran, dass sie in diesem Monat zum Erinnerungsort werden wollten, immer neu in den Willen Gottes einzutreten.
Ich wandte mich kurz an Gott und versprach ihm, die Kleinarbeit dieses Tages für Menschen in meiner Stadt zu tun, denen es nicht gut ging. Meine Tagestätigkeiten sollten Liebe für sie sein. So begann ich mein Tagewerk. Immer wieder kamen mir Menschen in den Sinn, die zurzeit litten. So schrieb ich jemandem eine kurze sms, der mich hatte wissen lassen, dass “Freude heute ausfallen würde”. Später kam mir ein anderer Mensch in meine Gedanken. Auch da spürte ich betend eine echte Schwere. Ich mailte diesem Menschen einen Text als Gruß zu, den ich gerade hatte verfassen müssen und der sich mit dem Thema des “Verwandelt-Werdens” beschäftigte. Spät abends eine kurze Antwort: “Nochmals 1000 Dank für Dein Zuhören - vor einigen Tagen, für Dein Mitfühlen und Hoffnung geben! Das tut so gut!”
Ich begleite zur Zeit eine Familie, in der sich bei dem Sohn eine beginnende psychische Erkrankung zeigt. Die Eltern sind verständlicherweise sehr verzweifelt. Gestern Abend habe ich eine sehr verzweifelte Mail der Mutter bekommen. Ich wollte ihr Mut machen, wollte ihr Kraft geben, aber die Situation ist tatsächlich total verfahren. Da habe ich ihr geschrieben, dass sowohl sie als auch ihr Sohn von Gott so geliebt sind, wie sie sind. "Auch in dieser so schweren Situation seid Ihr nicht alleine!" hab ich ihr gemailt. Dann erzählte ich ihr von unserem Motto und von dem Spiegel, in der Hoffnung, dass es ihr hilft. Gerade bekam ich eine Mail mit dem Betreff "Hab wieder Mut". Die Mutter schrieb, dass sie den Kommentrar zu dem Wort "Du bist mein geliebter Sohn" ganz oft gelesen hat und dass sie heute schon mehrmals vorm Spiegel stand und leise geflüstert hat: Du bist von Gott geliebt!