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Ich bin glücklich!

Zu viert hatten wir uns auf den Weg gemacht, das Licht von Bethlehem in Wohnungen zu bringen. In einem Haus trafen wir auf eine ukrainische Familie. Oma und Opa waren vor wenigen Wochen aus der Ukraine zu ihrer Tochter und den Enkelkindern nach Deutschland gekommen. Im Licht der Kerze, die wir brachten, sah ich ihre gezeichneten Gesichter. Unsere Blicke begegneten sich. Eine tiefe Nähe war zu spüren. In der vergangenen Nacht waren sie alle in der Christmette. Sie haben kein Wort verstanden doch waren tief ergriffen von der warmherzigen Atmosphäre. Am Ende des Gottesdienstes stand ich dem alten Mann gegenüber. Ich schaute in seine Augen. Er strahlte mich an. Ich schaute ihn mit dem gleichen liebenden Herzen an. Verbale Kommunikation war nicht möglich. Und dennoch: Leben pur. In diesen 30 Sekunden geteilten Lebens brach Ewigkeit an. Tränen in unseren Augen. Weihnachten. Jesus lag nicht nur in der Krippe unserer Kirche, er war da – unter uns!

Ich hatte mich auf den Weg gemacht, aus einer benachbarten Stadt das Licht von Bethlehem zu holen. Es war ein nasskalter, stürmischer, unfreundlicher Tag. Als ich in die Kirche kam, verteilten Jugendliche gerade das Licht und ich konnte es sofort in meiner Sturmlaterne in Empfang nehmen. Mein Weg führte über einen grell erleuchteten Weihnachtsmarkt mit lauter Musik. Schweigend ging ich mit dem Licht zu meinem Auto und versuchte es gegen heftige Windböen zu schützen. Als ich es abends in unsere Kirche brachte und noch ein wenig verweilte, war ich sehr bewegt. Dieses flackernde, schutzbedürftige Licht war auf einmal wie ein Symbol für den verborgenen Gott in mir und in unserer Mitte. Wie schnell wird er „aufgeblasen“ durch Unachtsamkeit, Selbstbezogenheit und fehlende Wachsamkeit. „Dem Reich Gottes wird bis heute Gewalt angetan!“ kam mir in den Sinn. In aller Stille betete mein Herz: „Jesus, lass uns wachsam sein, damit wir deine Sehnsucht, bei uns sein zu wollen, nicht enttäuschen und verunmöglichen! Lass mich dich schützen, damit du in mir und unter uns nie erlischst.“

Wir hatten uns zu unserer zweiten europaweiten adventlichen Zoom-Schalte versammelt. Thema war: „Dir selbst anvertraut!“ Junge Leute aus Albanien, Deutschland, Griechenland, dem Kosovo, aus Norwegen, Rumänien, Syrien, aus Tschechien und der Ukraine hatten sich zugeschaltet. Halyna hatte erzählt, wie sie im vom Krieg gezeichneten ukrainischen Alltag versuchte, ihr eigenes Leben Augenblick für Augenblick neu in die Hand zu nehmen. Edita aus dem Kosovo hatte berichtet, wie sie einen unnahbaren Patienten eine besondere Portion Liebe geschenkt hatte und er seither ihr immer ganz freundlich gegenübertrat. In einer großen Einfachheit und Tiefe waren Erfahrungen geteilt worden. Kurz vor Ende der Schalte ließ mich ein Teilnehmer wissen: „Heute Abend musste ich an Heiner denken, diesen alten Priester, der vor über 20 Jahren gestorben ist. Seine letzte Tat der Liebe war gewesen, einer unfreundlichen Krankenschwester seinen Arm bereitwillig zu einer Injektion hinzuhalten. Und dann hatte er gesagt: Lieben, das können wir immer!“ – Mich berührte dieser Satz zutiefst und ich verstand: Allein die Liebe überdauert alle Zeiten!