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Ich bin glücklich!

Von weitem sah ich ihn, einen jungen Afrikaner, dem ich seit langem nicht begegnet war. “Du siehst mich!” - unser Monatsmotto schoss mir in den Kopf. Der junge Mann kam telefonierend auf mich zu. Ich blieb - einem inneren Impuls folgend - bei ihm stehen. Er lachte mir zu. Bei seinem Telefongespräch ging es um eine Wohnung, die er von einer Wohnungsbaugesellschaft erbat. Auf einmal drückte er mir das Telefon in die Hand, weil er nicht weiter kam. Ein wenig verdutzt stellte ich mich am Telefon meinem Gegenüber, einem Mitarbeiter der Wohnungsbaugesellschaft, vor und schilderte die Situation. Wir kamen ins Gespräch. Ich konnte alle Fragen im Bezug auf den jungen Afrikaner klären und konnte all die Bedingungen, die für ihn zu erfüllen waren, mit ihm besprechen. Am Ende war klar: Er würde die Wohnung bekommen, wenn er nach einem Besichtigungstermin zustimmen würde. Dann beendeten wir das Gespräch. Überglücklich umarmte mich der junge Mann. “Das wollte Gott, dass Du mir heute gerade hier begegnet bist!”

Es war Abend geworden und wie immer half ich in einem Altenheim den Bewohnern ins Bett zu kommen. Eine der älteren Frauen des Hauses leidet sehr unter Demenz. Sie zog meine Aufmerksamkeit besonders auf sich. Als ich bei ihr war, öffnete sie die Schublade ihres Nachtschränkchens. Sie nahm ihren Rosenkranz und ein kleines Kreuz heraus. Die beiden Devotionalien in ihrer Hand haltend sagte sie zu mir: “Lass uns zusammen beten!” Ich war so erstaunt und berührt, dass mir Tränen liefen. Aufgrund ihrer Demenz konnte sie ja den Rosenkranz nicht mehr “richtig” beten. Aber in ihrer Hinfälligkeit hielt sie sich dennoch fest an ihm. Für mich war das wie eine Umarmung Gottes: ER umarmte sie,  sie umarmte IHN, mit dem sie ihr ganzes Leben gelebt hatte und ich fühlte mich ganz drin in dieser “Umarmung Gottes” - Eigentlich hätte ich mich schon auf den Weg zu den anderen Bewohnern des Altenheimes machen müssen, aber ich spürte: “Bleib noch ein wenig!” So betete ich mit dieser alten Frau. Die Freude, die ich dabei empfand, kann ich kaum beschreiben..

Ich bin in einer kleinen Stadt als Kaplan tätig. Seit den ersten Tagen meines Dienstes, gab es eine Spannung zwischen mir und dem Küster. Obwohl ich mich immer gemüht hatte, den ersten neuen Schritt der Liebe zu wagen, blieb die Spannung. Gestern nachmittag hatte ich das Gefühl, den Küster mit Worten verletzt zu haben und ich dachte: “Gott hat sich so klein gemacht, dass auch ich aus Liebe mich klein machen möchte!” So ging ich zu ihm nach Hause, um mich ehrlichen Herzens zu entschuldigen. Es war wirklich eine Entschuldigung ohne verborgenen Stolz. Ich war so froh, dass Gott mir die Kraft geschenkt hatte, den ersten Schritt zu schaffen. Unser Motto an diesem Tag war: Bau Brücken - keine Mauern. Der Mann war total überrascht und sehr dankbar. Unsere Begegnung war sehr befreiend für uns beide. Seine Frau weinte die ganze Zeit - nicht mehr aus Trauer, sondern aus Freude. Als ich wieder zu Hause war, ging ich noch ein paar Augenblicke in die Kirche, um zu beten. Ich spürte: Jesus ist die Brücke - zu mir und zwischen uns.

Ich war in eine Konferenz eingebunden. Es schellte. Ein kleinwüchsiger Mann aus Syrien stand zitternd und weinend vor mir. Ich hatte ihn und seine Familie in der vergangenen Woche besucht. Er sprach kaum Deutsch und war nicht in der Lage zu reden. Zunächst verstand ich gar nicht, worum es ging. Langsam kam heraus, dass der ältere Sohn der Familie - 5 Jahre - vermißt wurde. Der Mann und seine Frau waren aus ihrer Wohnung gekommen und hatten ihr Fahrrad aus der Garage geholt. Als sie Augenblicke später zurück waren, war ihr Ältester weg.
Der Mann war völlig aufgelöst. Er drohte zusammen zu brechen. Seine Frau konnte ich nicht erreichen, sie ging nicht ans Telefon, war ebenfalls total verzweifelt und auf der Suche nach ihrem Kind. In diesen Tagen vor 4 Jahren hatte sie ihren Bruder im Syrienkrieg verloren.
Ich kontaktierte die Polizei. Sie nahm den Fall sofort auf und versprach zu kommen. Minuten verstrichen. Wir standen draußen. Der Mann war wieder losgelaufen, sein Kind zu finden. Seine Frau kam. Sie wollte nicht ins Haus gehen, da sie hoffte, durch einen Zufall ihren Sohn auf der Straße zu sehen. Mit nur einer dünnen Jacke bekleidet blieb ich bei ihr. Wir standen schweigend beieinander. Ich betete. Nach über 15 Minuten entschied sie, mit ins Haus zu gehen. Die Teilnehmer der Konferenz warteten ebenfalls. Aber diese Situation galt es nun zusammen zu leben. Ich hielt die Angst und die Unwägbarkeiten mit der syrischen Frau aus. Immer wieder weinte und schluchzte sie. Unter ihrem Kopftuch kullerten dicke Tränen der Verzweiflung hervor. "Mein Bruder tot - jetzt auch mein Kind?" fragte sie verzweifelt. Dabei war die Familie doch nur der Kinder wegen nach Deutschland gekommen. Ich gab dem Kleinsten Jungen bunte Smaties. Seine Augen leuchteten auf.
Erneut rief ich die Polizei an. Es waren schon über 30 Minuten verstrichen. Dann die Info von
der Polizei: "Warten sie, wir bekommen da gerade von unseren Kollegen einen Funkspruch: Kind gefunden! Wir wissen aber noch nicht, ob es das Gesuchte ist!" Nach wenigen Minuten wußten wir: Es ist das Kind...
In diesen Augenblicken kam eine erwartete Gruppe von Hauptberuflichen aus unserer Bistumsstadt, die sich mit dem Thema "Evangelisierung" befassen. Sie kamen mitten in die Situation, die sich gerade auflöste. Die Mutter radelte mit dem Kleinen zurück zu ihrer Wohnung. Kurze Zeit später kam der Vater mit dem Ältesten, der - kindlich unbescholten - gar nicht wußte, was geschehen war... Da ich ihm schon einige Male ein kleines Geschenk gegeben hatte, fragte er mich sofort: "Hast Du eine Geschenk für mich?" - Dabei war er doch das Geschenk für uns alle.
Sofort waren die Besucher drinnen im Geschehen der Evangelisierung - von den Wunden her. Als ich nach 4 Stunden gemeinsam mit ihnen verbrachter Zeit noch zu einem kurzen Gebet zur Kirche ging, hörte ich eine Frau hinter mir sagen: "Jetzt verstehe ich, die Flüchtlinge sind wirklich eine Chance für uns als Kirche!" - Ja, wenn wir die Wunden unserer Zeit berühren und uns von den Augenblicken, die Gott uns schickt nehmen lassen, dann sagt jeder neu sein: “Mein Herr und mein Gott!”