Samstag morgen. Wir haben alle länger geschlafen. Mein Mann ist schon im Esszimmer bei einer Tasse Kaffee, als ich nach unten komme. Ich genieße auch die erste Tasse Kaffee des Tages. “Ich fange schon mal an das Müsli zu zubereiten, ok?” frage ich meinen Mann. “Ach” sagt er, “eigentlich möchte ich heute kein Müsli. Ich würde lieber ein Brötchen essen.”- “ Ja gut, dann mache ich nur eine Portion fertig” antworte ich. Mehr passiert auch nicht... Als ich mit meiner Schüssel wieder zum Tisch kam , sagte mein Mann:”Ich habe einfach keine Lust, jetzt Brötchen zu holen. Erst noch rasieren und so..!” Welche Chance für mich! ”Kein Problem, dann fahre ich schnell.” ließ ich meinen Mann wissen. “Nein”, antwortet er, “das geht doch nicht, Du möchtest doch gar keine Brötchen.” - “Aber ich hole sie gerne für dich! Nimm es einfach an!” Also habe ich mich schnell frisch gemacht und die Brötchen geholt. Mittlerweile waren auch die Kinder aufgetaucht. “Cool, Mama hat Brötchen geholt!” freute sich unser Sohn. “Möchtet ihr Kakao?” wollte ich noch wissen. Einer warm, die andere kalten Kakao. “Mache ich.” Die Kinder vertieften sich sofort in die Zeitung. Als ich die Getränke zum Tisch brachte, sah mich meine Tochter fragend an. “Motto?” fragte sie. “Ja, Motto” antwortete ich ihr glücklich lächelnd. Ihrem Bruder flüsterte sie zu “Eigentlich ganz gut, diese Sache mit dem Motto.....”
Endlich Wochenende! Auf meinem Handy sehe ich eine Menge verpasster Anrufe. Die Nummer ist mir unbekannt. ‘Wird sich wohl wieder melden!’ denke ich. Ich möchte auf jeden Fall die letzten Sonnenstrahlen genießen und endlich etwas essen. Wieder ruft dieser Unbekannte an, ich hebe ab: "Bitte, kannst du uns helfen? Ich bin der Onkel von Josipa*, sie und ihr Mann haben heute Post bekommen. Ihr Asylantrag ist abgelehnt worden und sie müssen in wenigen Tagen unser Land verlassen haben!” Ich bin geschockt! Was soll ich tun? In meinem Kopf und in meinem Herzen rumort es. Ich rufe ein mir bekanntes Rechtsanwaltsbüro an. In 20 Minuten schließt das Büro, und es ist Freitag nachmittag.”Ja, schicken Sie noch schnell eine Mail!” Wenige Minuten später sitze ich bei dem jungen Ehepaar mit ihrem Säugling, um die notwendigen Infos zu sammeln. Unendlich groß sind die Not und die Sorgen, die mir sofort entgegen schlagen. Ich kann nur meine Nähe geben und sachliche Informationen per mail an den Anwalt schicken. 15.55 h, es ist geschafft! Ich verspreche meinen Beistand und mein Gebet, und ich verspreche Menschen zum Mit-Beten zu animieren. Der Mann strahlte... Am nächsten Tag ein erneuter Anruf, der Onkel der Frau - schon lange in Deutschland wohnhaft - war mit seiner Familie gekommen. Er bringt Ideen und recht fragwürdige Vorschläge. Er wolle ein Gutachten besorgen, ließ er mich wissen. Ich spürte, in Unehrlichkeiten hineingezogen zu werden. Dazu war ich nicht bereit. Ich wollte helfen, aber so nicht! Ich blieb dem eingeschlagenen Weg treu und suchte die Kommunikation mit dem Anwalt. Er bat um weitere Unterlagen vor unserm Gespräch und so fuhr ich wieder in die Wohnung der jungen Familie. Bereitwillig händigten sie mir die Unterlagen aus. Ihre Angst, gehen zu müssen, war mit Händen greifbar! Da sagte der Mann zu mir: "Meine Familie hat unehrliche Vorschläge gemacht. Aber ich will das nicht! Das ist eine Lüge und ich will Gott nicht anlügen! Er sieht uns doch!" Ich war sprachlos! Wir umarmten uns alle drei mit Tränen in den Augen. Was für eine menschliche Größe in dieser schweren Situation! Dadurch erleichtert, gehen wir diesen Weg gemeinsam weiter!
Stundenlang hatten wir in der dunklen Nacht auf den kleinen Bus gewartet, um die Jugendlichen aus Siebenbürgen zu empfangen. Welche Freude, als sie nach der langen Fahrt ankamen. Die Busfahrerin drehte die Scheibe herunter. Sie schien abwartend, fast ein wenig abweisend. - Nach zwei Tagen saß ich mit der Gruppe von 20 jungen Musikern unter Eichenbäumen. Wir hielten Rückschau auf die ersten Tage unseres Zusammenseins. Als erste stand die Busfahrerin auf und stellte sich - fast feierlich - vor die gesamte Gruppe. Sie war Rumänin im Gegensatz zu den anderen Jugendlichen, die ungarischer Herkunft waren. Sie hatte Tränen in den Augen. Dann begann sie zu sprechen. “Ihr wißt, gestern war der Todestag meiner Mutter und ich hatte Angst vor diesem Tag. Zum ersten Mal konnte ich an diesem Tag nicht mit meiner Schwester zusammen zu der Kirche gehen, wo wir immer hingegangen sind. Aber ich muss Euch sagen: Ich bin so dankbar und glücklich mit euch unterwegs sein zu dürfen. Ihr habt eine solche Liebe unter euch - auch mir gegenüber!” Dann weinte sie. Am Ende der Tage, als wir uns verabschiedeten, sagte sie: “Ich habe schon weit über 1000 Fahrten gemacht - mit unzähligen Kilometern. Das ist mein Job! Aber diese Fahrt mit Euch, Eure Musik und diese schönen Stunden bei den Gastfamilien und auf der Fazenda hier in Deutschland hat diese besondere Fahrt für mich zum ersten Mal zu einer ‘Fahrt des Herzens’ werden lassen. Ich habe so etwas noch nie erlebt!”
Es ist spät geworden. Ich finde noch eine Mail auf meinem Rechner, wunderschön, weil total konkret: “Heute war es nur ein ganz, ganz kleiner Moment, der irgendwie für Jesus da war: Ich hatte mir zum Abendessen einen Bananenmilch-Mix gemacht. Meine Kumpels hatten schon gegessen. Ein Freund und ich waren zur Zeit des Essens noch unterwegs..Ich hatte mir grade den Mix eingeschüttet, da kam mir der Gedankenblitz: Jesus würde alle fragen! Also fragte ich nochmals alle, die es sich schon gemütlich gemacht hatten, ob noch jemand etwas zu Trinken haben wolle. Das war dann nicht mehr der Fall. Aber ich wusste, dass ich einen kleinen Schritt in Richtung Jesus getan hatte."
Sie hatten sehr viel investiert. 2000 Kilometer waren sie gefahren und hatten all ihre Lieder in englischer Sprache einstudiert. Zum ersten Mal waren sie im Ausland unterwegs, um ihre Lieder vor einem deutschen Publikum zur Aufführung zu bringen. Sie freuten ich über diese Chance. Ich spürte vor dem Konzert ihre Aufregung. Musikalisch hatten sie anspruchsvolle Stücke ausgewählt. Dann begann das Konzert und die technische Ausstattung ließ zu wünschen übrig. Immer wieder sah im ich Gesicht eines der Verantwortlichen Band-Mitglieder Enttäuschung. Aber er kämpfte, machte weiter und hielt durch, ohne sich ganz ablenken zu lassen... Am Ende ernteten sie alle einen langen Applaus, der mich sehr freute. Doch dann drehten die jungen Musiker ihr Gesicht von den Zuschauern weg und ich spürte ihre tiefe Enttäuschung, dass es ihnen- technisch(!!) - nicht so gelungen war, wie sie sich es erhofft hatten. Mir war klar: Sie brauchen jetzt einen “großen Bruder”. So ließ ich einige Jugendliche, mit denen ich gern ein wenig geplaudert hätte, und ging zu den jungen Ungarn. Ich sah ihre traurigen Augen und versuchte ihnen deutlich zu machen, dass die entscheidende Botschaft, die auch von vielen Gästen zurück gemeldet worden war, auf einer anderen als auf der technisch-perfekten Ebene lag. Es dauerte lange, immer wieder hörte ich einzelnen zu und sprach ihnen Mut für die nächsten Konzerte zu. Spät abends war ich noch bei einem Ehepaar eingeladen, die zwei ungarische Gäste aufgenommen hatten. Ich nahm meine Kräfte zusammen und dachte: “Für Dich, Jesus, in diesen Jugendlichen!” Und es wurde eine so schöne und mich bereichernde Stunde, in der sich unsere Herzen ganz nah kamen. Auf einmal war klar: Der Erfolg dieses Tages lag wirklich nicht in technischer Perfektion, sondern in menschlicher Nähe und Begegnung.
Es war ein langer Tag - voller Begegnungen. Nun war ich auf dem abendlichen Heimweg, ein paar Jugendliche saßen im Auto. Ein tiefer ehrlicher Austausch hatte begonnen. Sehr persönliche Fragen kamen ins Gespräch. Nur noch 10 Minuten, dann würden wir zu Hause sein. Der erste Hinweis auf unsere Autobahn-Abfahrt lag schon im Blickfeld. Es war dunkel geworden. Plötzlich vor uns: lauter eingeschaltete Warn-Blink-Anlagen. Ein Sportwagen war in die Leitplanke geschleudert. Er sah übel zugerichtet aus. Die ersten Fahrzeuge hatten schon angehalten. Ersthilfe schien gesichert. Die Unfallstelle wurde gerade gesichert. Sollten wir auch noch anhalten? Müdigkeit, das gute vertraute Gespräch und die Sehnsucht, bald nach diesem langen Tag zu Hause zu sein, schienen dagegen zu sprechen. Leise hörte ich das Motto dieses Monats in meiner Seele. “Du für mich - ich für dich!” Ich verstand. In denen, die gerade in den Unfall verwickelt waren, fragte ein Anderer nach mir. Wir stoppten. Liefen zur Unfallstelle. Es war glücklicherweise niemand verletzt. Und es saß niemand mehr in dem Unfallfahrzeug. Wir riefen die Polizei, die schon bald kamen. Der verunfallte Fahrer stand hinter der Leitplanke - stark zitternd, noch unter Schock. Wir kümmerten uns um ihn. “Danke, dass ihr alle so schnell angehalten habt! Ich hatte solche Angst. Ich war von einem anderen Fahrzeug touchiert worden, der leider weiter gefahren ist, bin ins Schleudern gekommen und fand mich dann in der Leitplanke wieder. Und ich hatte solche Angst, dass die nachfolgenden Fahrzeuge nicht mehr bremsen konnten...” Wir teilten seine Not und Angst. Ihm tat es gut, alles so schnell erzählen zu können. Dann entließ uns ein Polizist - ebenfalls mit einem Danke.
Eine Predigt während eines Gottesdienstes hatte mich getroffen und blieb in meinen Gedanken lebendig. Es ging darum, sich nicht wie ein Luftballon aufzublasen, sondern immer neu die “Luft des Stolzes” raus zu lassen und bereit zu sein, sich klein zu machen - aus Liebe (zu Jesus). Im Evangelium, das ich vorher gehört hatte, hatte ich gehört: “Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden!” Nach der Messe ging ich mit einer ganz anderen Stimmung aus der Kirche, als ich in sie hinein gekommen war. Ich wollte total aufmerksam sein, wo ich wirklich helfen konnte. Heute bekam ich eine Chance: Einer älteren Frau fiel ihre Einkaufstasche zu Boden - mit all dem, was sie eingekauft hatte. Sofort war mir klar. “Jetzt hilfst du, alles wieder einzuräumen!” Und ich kann sagen: “Es fühlt sich gut an!”
Immer neu eröffnet uns Gott neue Wege! Diese Erfahrung kann ich nach unserem gelungenen Ferienlager mit Euch teilen. Wir hatten einiges an Lebensmitteln übrig behalten. Natürlich wollten wir sie am Ende des Lagers nicht wegschmeißen. Also habe ich beim dortigen Pfarrbüro angerufen und nachgefragt, welche soziale Einrichtung in der Nähe die Lebensmittel gebrauchen könnte. Allerdings fühlte sich die Dame im Pfarrbüro nicht zuständig und ich merkte schnell, dass sie auch keine Arbeitszeit in meine Frage investieren wollte. Frustriert und enttäuscht stand ich vor dem Pfarrzentrum und überlegte, wo ich die Lebensmittel abgeben könnte. In diesem Augenblick fiel mein Blick auf ein Auto von der Caritas, das nur wenige Meter von mir geparkt war. Bei dem Wagen standen zwei Männer. Ich sprach sie an und schilderte ihnen mein Anliegen. Hocherfreut reagierten die beiden: “Wissen Sie was, wir sind gerade auf dem Weg zur Tafel und da kommt uns Ihre Spende mehr als gerufen!”
Jetzt - nach den großen Ferien - werde ich an einer neuen Schule beginnen. So hab ich in den letzten Tagen bei mir zu Hause meine Abschlussparty gefeiert. Wurde ganz schön groß, denn ich hatte um die 50 Leute eingeladen. Es war ein Super-Abend! Irgendwann standen plötzlich noch mehr Leute vor der Tür, die wohl von anderen eingeladen worden waren. Ich hatte kurz Angst die Kontrolle zu verlieren, weil die teilweise auch deutlich älter waren, als ich! In diesem Augenblick hab ich mich kurz vor Gott gestellt und ich spürte, dass er mir innerlich Mut gab. So wagte ich es und ließ alle rein. Die Neuen waren schnell “drin” und der Abend wurde noch lustiger und schöner. Es hat sich völlig gelohnt, mich auf etwas Unbekanntes einzulassen. Das alles wurde nur möglich durch den Mut, den Gott mir gab.
Ich hatte mich sehr gefreut, denn bald würde ich den Führerschein in der Tasche haben... und - für ein paar Stunden - würde ich der jüngste Führerscheinbesitzer in Deutschland sein, denn “früher ging nicht”! Als ich bei meiner Fahrschule ankam, wurde meinem Wagen - für die Prüfungsfahrt - ein Mädchen zugeteilt, die bei der ersten Führerschein-Prüfung durchgefallen war und nun riesige Angst hatte. Ich kannte sie von meiner Schule, da sie eine Klasse über mir war. Sofort verstand ich, dass es nun “dran war”, ihr nahe zu sein und sie zu ermutigen. So hab ich sie die ganze Zeit mit kleinen Scherzen und Ermutigungen aufgebaut und ich hab so versucht, ihr die Angst zu nehmen. Immer neu! - Auch sie bestand die Fahrprüfung - mit Bravour. Und für mich wurde der Tag dadurch noch schöner!
Ich hatte zunächst keine Lust, meine Erfahrung auf dem Weltjugendtag noch zu verschriftlichen, aber eine innere Stimme hielt mich an, es doch zu tun. So setzte ich mich hin und schrieb einen längeren Artikel. Einigen Personen, die uns auf dem Weg mit ihren Gebeten und ihrem Gedenken begleitet hatten, mailte ich diese Gedanken zu. Tage später erreichte mir eine Antwortmail: “Danke, Danke!!! für diesen Text. Ich hatte bisher nichts vom WJT gehört, wir waren im Urlaub und ‘ertrinken’ jetzt gerade in Renovierungsarbeiten. Ich habe sehr an Euch in Brasilien gedacht und für Euch auf dem Weg gebetet und bin jetzt tief bewegt. - Ich hatte heut’ einen ganz miesen Tag! Mir war alles zu viel! Schon beim Aufwachen hab ich mich gefragt: warum soll ich heute aufstehen? So ein großer Berg vor mir. Und jetzt dieser Text, eure Erfahrungen und die Worte des Papstes. Mir laufen die Tränen und natürlich bin ich dabei!!! Ganz schnell habe ich - wie es der Papst den Jugendlichen der Welt nahe gelegt hat - Glaube, Hoffnung und Liebe (zu meinem Tag) hinzu gefügt und frage mich, warum ich heute morgen noch wegen einiger Dinge für die Renovierung, die schief gelaufen sind, geweint habe!”
Und wieder war ich beim Langlauf-Training. Wir laufen da immer in kleinen Gruppen, dann können wir uns gegenseitig anspornen und zum Durchhalten motivieren. Auf einmal fiel mir auf, dass nur ich dieses Mal einen Trinkgurt mit dabei hatte - das ist so eine Art “Gürtel mit Trinkflasche”, um während des Laufens Flüssigkeit zu uns nehmen zu können. Alle Mitläufer hatten nichts zu Trinken dabei. Ich verstand sofort: “Das ist wieder neu deine Chance für heute!” Alle waren total durstig, denn es war warm. Ich gab einem jeden meiner Mitläufer etwas zu trinken. Wir sind mit einem Liter für alle 5 Leute ausgekommen!
Ich hatte dieses Jahr am Weltjugendtag in Rio teilnehmen können. Das Leben, das wir dort erlebt und in unserer Gruppe geteilt haben, hat mich sehr angesprochen und bewegt. Ich hatte - im konkreten Leben der Worte Jesu - so etwas wie den Schlüssel für mein Leben gefunden. Diesem Lebensstil wollte ich treu bleiben. Dazu ergab sich heute wieder neu eine Gelegenheit. Wir waren mit ein paar Leuten bei einem Kumpel eingeladen und haben dort Burger gegrillt. Immer wieder musste er ins Haus laufen und noch verschiedene Dinge holen. So richtig dabei helfen wollte ihm keiner. Als mir das bewusst wurde, dachte ich: Endlich bekommst du heute die Chance, jemandem beizustehen. Also ging ich und half ihm, wusch Salat und röstete Brötchen. Und es hat mich richtig glücklich gemacht endlich noch Liebe schenken zu können an diesem Tag.
Eine Bewohnerin eines Altenheims sprach mich an, ob ich ihr eine Schneiderin vermitteln könne, da ihr alle Hosen zu eng geworden seien. Ich versprach ihr, bei einer meiner Nachbarinnen nachzufragen, die in einer freien evangelischen Gemeinde sehr engagiert ist. Gleichzeitig stand mein Urlaub an, der aufgrund eines glücklichen Zufalls sich noch um einen Tag (nach vorn) verlängert hatte. So galt es, die Arbeit, die ich auf zwei Tage hin geplant hatte, in das Pensum eines Tages einzupassen. Dennoch fragte ich bei der benachbarten Schneiderin nach, in der Hoffnung, nach meinem Urlaub alles abwickeln zu können. Die Spontanität meiner Nachbarin allerdings wies mir einen anderen Weg. Am gleichen Nachmittag noch wollte sie mit mir die ältere Frau im Altenheim besuchen. Wir gingen hin und mir war klar, dass es mit einer viertel Stunde nicht getan sein würde, es ging immerhin um 6 Hosen. Die im Altenheim mit vielen geteilte Zeit wurde eine gute und fröhliche Zeit für uns alle. Auf dem Heimweg sagte mir meine Nachbarin. “Du bist häufiger hier, das hab ich gemerkt. Toll, wie sehr Du diese alten Menschen im Herzen trägst und liebst! Hat mich schwer beeindruckt!” Ein tiefes Gespräch entwickelte sich. Ich hatte den Eindruck, Jesus ist uns ganz nah! Kaum war ich nach meinem Urlaub wieder zurück, schellte es an meiner Tür. Meine Nachbarin hatte die für die Hosenänderung auf zwei Wochen veranschlagte Zeit um die Hälfte unterboten. Sofort fuhren wir wieder ins Altenheim. Eine Frau, der wir gleich am Eingang begegneten erzählte mir von ihrem Leid. Sie hatte den Eindruck, dass die Tage einer anderen Bewohnerin gezählt waren und sie bat uns, doch auch bei dieser Frau noch vorbei zu schauen. Ich versprach es ihr fest! - Dass sich die Hosen-Empfängerin sehr freute, versteht sich fast von selbst. Wir brachten wirklich Glück in ihr Zimmer. Dann gingen wir gemeinsam zu der Sterbenskranken. Wir versprachen uns vor ihrem Zimmer, für sie gemeinsam zu beten. Das Bild, das sich uns bot, war schwer. Die alte Dame lag mit halb geöffneten Augen und offenem Mund auf ihrem Bett. Und ihre Wahrnehmung schien schon sehr eingeschränkt zu sein. Rechts und links von ihrem Bett standen wir nun, ein wenig unsicher, wie wir beten sollten. “Ich weiß”, sagte ich zu meiner Nachbarin, “dass ihr es in eurer Gemeinde gewohnt seid, frei formuliert zu beten. Lass uns das doch gemeinsam tun!” Das taten wir und schlossen mit einem gemeinsamen ‘Vater unser’. Wir strichen ihr dann noch sanft über den Kopf und waren ihr in dieser Zeit des Hinübergehens ganz, ganz nah. Ein tiefer, kostbarer Augenblick - links und rechts neben dem Bett stehend, mit IHM und ihr in unserer Mitte.
Wir waren im Sommerurlaub - mit den besten Freunden. Wir hatten uns alle sehr gefreut. Und dann kam da eine Situation, die meine ganze Familie menschlich sehr enttäuscht hat. Danach herrschte ein Jahr lang ein total frostiges Klima. Unsere Kontakte waren auf das Allernotwendigste reduziert. Natürlich blieb dieser Missklang unter unseren anderen Freunden nicht verborgen. Wie eine nicht mehr kontrollierbare Geschwulst wuchs Zerstörerisches in viele Beziehungen hinein. Wir litten sehr unter diesem Zustand. Was konnte helfen, dass Brücken zwischen uns wieder möglich wurden? Vor einigen Tagen kam Bewegung in die ganze Sache. Der Mut wuchs, zu einem gemeinsamen Grillen einzuladen - ein echter Schritt der Liebe. Ich spürte bei allen ein ehrliches Bemühen, wieder neu anzufangen. Es wurde richtig schön! Jesus war am Werk! Als ich am Ende des Tages mit einem großen Frieden und einer echten Freude im Herzen auf die geteilte Zeit zurück schaute, hatte ich den Eindruck, zu verstehen: Oft braucht es längere Zeit, bis Schritte der Liebe wieder möglich werden. Diese langen Wege - in Geduld erhofft und erwartet - sind viel fruchtbarer, als kurze Wege, die oft in einer Sackgasse enden. Auch Versöhnung und Neu-Anfang will reifen!
Mein Tag war noch voller Kleinigkeiten, die es noch zu erledigen galt. Es hatten sich noch Mutter und Tochter angesagt, um mit afrikanischen Freunden auszutauschen und einige Fragen zu besprechen. Immer wieder kamen die noch zu erledigenden Aufgaben in meinen Kopf. Jedes Mal gab ich ihnen einen “Stoß” und dachte. “Schenk dich jetzt - in diesem Augenblick und tu nur das!” Wir saßen um einen großen Tisch. Mitgebrachter Kuchen war einladend aufgebaut. Kaffee und Tee schmeckten. Mehr und mehr entwickelte sich ein Gespräch, das an Tiefe kaum zu überbieten war. Obwohl wir uns alle relativ unbekannt waren, kamen wir in einen Austausch über unseren Glauben, der unserer Herzen brennen ließ. Ich dachte an das Evangelium des Tages: “Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!” Hier brannte das Feuer der sich schenkenden Liebe und Gott war mit Händen zu berühren. Ich war froh, dass ich nicht meinem “Erledigen-Wollen” sondern dem Impuls des Evangeliums, einfach im Augenblick zu lieben, gefolgt war. Die Ernte war um so reicher.
An der U-Bahn-Station bei meiner Schule stand gestern ein junger Mann, der mich nach etwas Kleingeld fragte, ich musste aber fix in die Schule und winkte ihm mit einem "Sorry, keine Zeit!" ab... Als ich von der Schule wieder zur Bahn ging, war er noch immer da, grinste... doch ich hatte es wieder eilig - er rief noch hinterher, dass ihm langweilig sei, ob wir uns nicht ein wenig unterhalten wollten, doch ich hatte, wie gesagt, keine Zeit. Heute nun ging ich mit einer Freundin an der gleichen Stelle Richtung Kiosk. Er war wieder da, mit ein paar Freunden und lächelte. “Na ihr Hübschen, habt ihr etwas Kleingeld übrig?” Ich sagte: “Mal schauen, wie es nach dem Kioskbesuch aussieht!” Es war zwar nicht viel, aber die paar Cent, die ich ihm geben konnte, erfreuten ihn sichtlich. Seine Dankbarkeit war deutlich zu sehen - gar nicht vorrangig über das Geld, sondern über die Art unserer Begegnung- respektvoll und freundlich, keinerlei Arroganz. Das war für mich ein äußerst wahrer Augenblick!
Lange hatten wir uns nicht gehört. Um so mehr freute mich der Anruf. Viel gab es zu berichten - aus den vergangenen Monaten. Und dann kam das Gespräch auf einige Besinnungstage. Sie hatten sehr in die Tiefe geführt. Am Abend eines der Tage - so durfte ich am Telefon hören - hatte es noch ein norwegisches Märchen gegeben. Es handelte von einem Drachen, der seine Bräute in der Brautnacht immer neu verschlang. Die neue Braut hatte Rat bei einer alten Frau gesucht, die ihr gesagt hatte, sie solle sieben Kleider übereinander anlegen und den Bräutigam in der Hochzeitsnacht darauf verpflichten, dass immer, wenn sie ein Kleid ablege, auch er eine Haut ablegen müsse. So geschah es. Nach einem wunderbaren Hochzeitsfest verschwanden die beiden im Brautgemach. Am Ende zeigte sich der Drache, der schmerzvoll Haut um Haut abgelegt hatte, als ein wunderschöner Prinz. “Und was steckt in meiner Drachenhaut?” hörte ich mein lachendes Gegenüber am Telefon. Und dann wurde mir das Kostbarste ihrer Seele anvertraut. Über viele Jahre von Menschen nicht angeschaut worden zu sein, bedeutete größten Schmerz. Und in den Besinnungstagen war dieser innerste Schmerz plötzlich wieder lebendig. Doch in einer Gebetszeit wuchs aus größtem Schmerz plötzlich aus dem Innersten der Seele die Gewissheit, dass mein Sein zutiefst Ausdruck der Liebe Gottes zu mir ist, dass vor allem Nein der anderen SEIN "Ja!" stand. Im Innersten, im Innigsten der Seele strömte lebendige Liebe. Die Erfahrung weitete sich und offenbarte: Alles, was ist, ist Ausdruck der Liebe. - Tief gerührt und beschenkt stand ich mit meinem Handi im Zimmer. Und wieder neu spürte ich: ER ist da, in der Mitte der Seinen, die bereit sind, einander ALLES zu schenken - allen Schmerz und alle Freude!"
Über Jahre hatten wir einen Besuch in der Verwandtschaft nicht mehr machen können. Krankheiten in mehreren Familien hatten ein Zusammen-Sein verunmöglicht. Nun waren die Karten neu gemischt. Ich hatte meiner Mutter versprochen, eine Tante zu besuchen, die ungefähr eine Stunde von uns entfernt wohnte. Die Freude meiner Tante war schon am Telefon zu spüren gewesen. Sie konnte die Stunden, bis wir uns sehen würden, kaum abwarten. Unglücklicherweise verletzte ich mich am Vortag am Auge. Es tränte unaufhörlich. Am nächsten Tag, dem Besuchstag, entschied ich, zunächst zum Arzt zu gehen. Wegen der Ferienzeit mußte ich viele Kilometer fahren. Als ich wieder zu Hause war, schmerzte das Auge sehr und ich wußte nun, dass das auch ein paar Tage noch so bleiben würde. Ich spürte, wie der Besuch bei meiner Tante plötzlich auf wackeligen Beinen stand. Während der Mittagspause betete ich zu Gott und spürte, dass jetzt einfach Mut und die größere Liebe angefragt waren. Ich entschied, zu fahren. Als wir meine Verwandte erreichten, sprühte sie - wie auch meine Mutter - voller Freude, sich nach so langer Zeit wieder zu sehen. Immer wieder ließ meine Tante uns ihre Freude spüren. Waffeln mit heißen Preiselbeeren und Sahne waren hergerichtet... Wir blieben lange, sehr lange. In meinem Herzen tauchte immer wieder ein Wort Marias an die Jünger bei der Hochzeit zu Kanaan auf: “Was ER (Jesus) euch sagt, das tut!” ER hatte gesagt zu fahren. Jetzt durfte ich Zeuge einer tiefen Freude und eines ehrlichen Austausches innerhalb meiner Familie werden.
Ein Impuls rührt mein Herz an. Schreib noch eine kurze sms und frag, ob morgen mittag noch ein Gespräch möglich ist, denn in wenigen Tagen liegen schon wieder viele Kilometer zwischen uns. “Ich hatte auch gerade den Impuls, Dir eine mail zu schreiben!” lese ich als Antwort, “ja, wir müssen uns morgen noch sehen.” Am nächsten Tag verabreden wir uns auf eine Pizza. “Gestern habe ich eine unglaubliche Erfahrung gemacht. Gott hat geantwortet, auch wenn die Situation, in der ich jetzt stecke, schwierig ist!” höre ich mein Gegenüber sagen. “Seit Monaten schon spüre ich, dass meine Freundschaft zu einem Mädchen zur Routine geworden ist. Wir smsen uns täglich, aber irgendwie ist alles total leer und ich spüre, dass Gott einen anderen Weg für mich im Sinn hat. Gestern hab ich in einer Begegnung mit einer Gruppe junger Menschen verstanden, dass ich JA sagen soll zu dem Kreuz der Trennung und zu dem Kreuz, von meiner Freundin und auch von meinen Eltern nicht verstanden zu werden. Aber ich spüre, dass ich Gott mehr trauen muss und dass ER, auch wenn es schwer ist, etwas Großes für mich bereit hält!” Erstaunt höre ich zu und schaue dann in die verweinten Augen eines jungen Menschen, der total ernst macht mit dem, was ich wenige Tage zuvor noch beim Weltjugendtag in Brasilien von Papst Franziskus gehört hatte. Er hatte die Jugendlichen eingeladen, in die persönliche Begegnung mit Jesus zu gehen und dort das Licht für die eigenen Wege zu finden. Und bei all dem klang in mir eines seiner Worte nach:“Um es klar zu sagen: Der Heilige Geist ist für uns eine Belästigung. Er bewegt uns, er lässt uns unterwegs sein, er drängt die Kirche weiterzugehen. Aber... wir wollen, dass er sich beruhigt, wir wollen ihn zähmen. Doch das geht nicht. Denn er ist Gott und ist wie der Wind, der weht, wo er will. Er ist die Kraft Gottes, der uns Trost gibt und auch die Kraft, vorwärtszugehen.” Hier sitze ich einem jungen Menschen gegenüber, der den Heiligen Geist nicht zähmen will, sondern sich ihm ganz überläßt. Was für ein Geschenk!