Ich hatte mich sehr gefreut, denn bald würde ich den Führerschein in der Tasche haben... und - für ein paar Stunden - würde ich der jüngste Führerscheinbesitzer in Deutschland sein, denn “früher ging nicht”! Als ich bei meiner Fahrschule ankam, wurde meinem Wagen - für die Prüfungsfahrt - ein Mädchen zugeteilt, die bei der ersten Führerschein-Prüfung durchgefallen war und nun riesige Angst hatte. Ich kannte sie von meiner Schule, da sie eine Klasse über mir war. Sofort verstand ich, dass es nun “dran war”, ihr nahe zu sein und sie zu ermutigen. So hab ich sie die ganze Zeit mit kleinen Scherzen und Ermutigungen aufgebaut und ich hab so versucht, ihr die Angst zu nehmen. Immer neu! - Auch sie bestand die Fahrprüfung - mit Bravour. Und für mich wurde der Tag dadurch noch schöner!
Jetzt - nach den großen Ferien - werde ich an einer neuen Schule beginnen. So hab ich in den letzten Tagen bei mir zu Hause meine Abschlussparty gefeiert. Wurde ganz schön groß, denn ich hatte um die 50 Leute eingeladen. Es war ein Super-Abend! Irgendwann standen plötzlich noch mehr Leute vor der Tür, die wohl von anderen eingeladen worden waren. Ich hatte kurz Angst die Kontrolle zu verlieren, weil die teilweise auch deutlich älter waren, als ich! In diesem Augenblick hab ich mich kurz vor Gott gestellt und ich spürte, dass er mir innerlich Mut gab. So wagte ich es und ließ alle rein. Die Neuen waren schnell “drin” und der Abend wurde noch lustiger und schöner. Es hat sich völlig gelohnt, mich auf etwas Unbekanntes einzulassen. Das alles wurde nur möglich durch den Mut, den Gott mir gab.
Immer neu eröffnet uns Gott neue Wege! Diese Erfahrung kann ich nach unserem gelungenen Ferienlager mit Euch teilen. Wir hatten einiges an Lebensmitteln übrig behalten. Natürlich wollten wir sie am Ende des Lagers nicht wegschmeißen. Also habe ich beim dortigen Pfarrbüro angerufen und nachgefragt, welche soziale Einrichtung in der Nähe die Lebensmittel gebrauchen könnte. Allerdings fühlte sich die Dame im Pfarrbüro nicht zuständig und ich merkte schnell, dass sie auch keine Arbeitszeit in meine Frage investieren wollte. Frustriert und enttäuscht stand ich vor dem Pfarrzentrum und überlegte, wo ich die Lebensmittel abgeben könnte. In diesem Augenblick fiel mein Blick auf ein Auto von der Caritas, das nur wenige Meter von mir geparkt war. Bei dem Wagen standen zwei Männer. Ich sprach sie an und schilderte ihnen mein Anliegen. Hocherfreut reagierten die beiden: “Wissen Sie was, wir sind gerade auf dem Weg zur Tafel und da kommt uns Ihre Spende mehr als gerufen!”
Eine Predigt während eines Gottesdienstes hatte mich getroffen und blieb in meinen Gedanken lebendig. Es ging darum, sich nicht wie ein Luftballon aufzublasen, sondern immer neu die “Luft des Stolzes” raus zu lassen und bereit zu sein, sich klein zu machen - aus Liebe (zu Jesus). Im Evangelium, das ich vorher gehört hatte, hatte ich gehört: “Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden!” Nach der Messe ging ich mit einer ganz anderen Stimmung aus der Kirche, als ich in sie hinein gekommen war. Ich wollte total aufmerksam sein, wo ich wirklich helfen konnte. Heute bekam ich eine Chance: Einer älteren Frau fiel ihre Einkaufstasche zu Boden - mit all dem, was sie eingekauft hatte. Sofort war mir klar. “Jetzt hilfst du, alles wieder einzuräumen!” Und ich kann sagen: “Es fühlt sich gut an!”
Es war ein langer Tag - voller Begegnungen. Nun war ich auf dem abendlichen Heimweg, ein paar Jugendliche saßen im Auto. Ein tiefer ehrlicher Austausch hatte begonnen. Sehr persönliche Fragen kamen ins Gespräch. Nur noch 10 Minuten, dann würden wir zu Hause sein. Der erste Hinweis auf unsere Autobahn-Abfahrt lag schon im Blickfeld. Es war dunkel geworden. Plötzlich vor uns: lauter eingeschaltete Warn-Blink-Anlagen. Ein Sportwagen war in die Leitplanke geschleudert. Er sah übel zugerichtet aus. Die ersten Fahrzeuge hatten schon angehalten. Ersthilfe schien gesichert. Die Unfallstelle wurde gerade gesichert. Sollten wir auch noch anhalten? Müdigkeit, das gute vertraute Gespräch und die Sehnsucht, bald nach diesem langen Tag zu Hause zu sein, schienen dagegen zu sprechen. Leise hörte ich das Motto dieses Monats in meiner Seele. “Du für mich - ich für dich!” Ich verstand. In denen, die gerade in den Unfall verwickelt waren, fragte ein Anderer nach mir. Wir stoppten. Liefen zur Unfallstelle. Es war glücklicherweise niemand verletzt. Und es saß niemand mehr in dem Unfallfahrzeug. Wir riefen die Polizei, die schon bald kamen. Der verunfallte Fahrer stand hinter der Leitplanke - stark zitternd, noch unter Schock. Wir kümmerten uns um ihn. “Danke, dass ihr alle so schnell angehalten habt! Ich hatte solche Angst. Ich war von einem anderen Fahrzeug touchiert worden, der leider weiter gefahren ist, bin ins Schleudern gekommen und fand mich dann in der Leitplanke wieder. Und ich hatte solche Angst, dass die nachfolgenden Fahrzeuge nicht mehr bremsen konnten...” Wir teilten seine Not und Angst. Ihm tat es gut, alles so schnell erzählen zu können. Dann entließ uns ein Polizist - ebenfalls mit einem Danke.
Sie hatten sehr viel investiert. 2000 Kilometer waren sie gefahren und hatten all ihre Lieder in englischer Sprache einstudiert. Zum ersten Mal waren sie im Ausland unterwegs, um ihre Lieder vor einem deutschen Publikum zur Aufführung zu bringen. Sie freuten ich über diese Chance. Ich spürte vor dem Konzert ihre Aufregung. Musikalisch hatten sie anspruchsvolle Stücke ausgewählt. Dann begann das Konzert und die technische Ausstattung ließ zu wünschen übrig. Immer wieder sah im ich Gesicht eines der Verantwortlichen Band-Mitglieder Enttäuschung. Aber er kämpfte, machte weiter und hielt durch, ohne sich ganz ablenken zu lassen... Am Ende ernteten sie alle einen langen Applaus, der mich sehr freute. Doch dann drehten die jungen Musiker ihr Gesicht von den Zuschauern weg und ich spürte ihre tiefe Enttäuschung, dass es ihnen- technisch(!!) - nicht so gelungen war, wie sie sich es erhofft hatten. Mir war klar: Sie brauchen jetzt einen “großen Bruder”. So ließ ich einige Jugendliche, mit denen ich gern ein wenig geplaudert hätte, und ging zu den jungen Ungarn. Ich sah ihre traurigen Augen und versuchte ihnen deutlich zu machen, dass die entscheidende Botschaft, die auch von vielen Gästen zurück gemeldet worden war, auf einer anderen als auf der technisch-perfekten Ebene lag. Es dauerte lange, immer wieder hörte ich einzelnen zu und sprach ihnen Mut für die nächsten Konzerte zu. Spät abends war ich noch bei einem Ehepaar eingeladen, die zwei ungarische Gäste aufgenommen hatten. Ich nahm meine Kräfte zusammen und dachte: “Für Dich, Jesus, in diesen Jugendlichen!” Und es wurde eine so schöne und mich bereichernde Stunde, in der sich unsere Herzen ganz nah kamen. Auf einmal war klar: Der Erfolg dieses Tages lag wirklich nicht in technischer Perfektion, sondern in menschlicher Nähe und Begegnung.
Es ist spät geworden. Ich finde noch eine Mail auf meinem Rechner, wunderschön, weil total konkret: “Heute war es nur ein ganz, ganz kleiner Moment, der irgendwie für Jesus da war: Ich hatte mir zum Abendessen einen Bananenmilch-Mix gemacht. Meine Kumpels hatten schon gegessen. Ein Freund und ich waren zur Zeit des Essens noch unterwegs..Ich hatte mir grade den Mix eingeschüttet, da kam mir der Gedankenblitz: Jesus würde alle fragen! Also fragte ich nochmals alle, die es sich schon gemütlich gemacht hatten, ob noch jemand etwas zu Trinken haben wolle. Das war dann nicht mehr der Fall. Aber ich wusste, dass ich einen kleinen Schritt in Richtung Jesus getan hatte."
Stundenlang hatten wir in der dunklen Nacht auf den kleinen Bus gewartet, um die Jugendlichen aus Siebenbürgen zu empfangen. Welche Freude, als sie nach der langen Fahrt ankamen. Die Busfahrerin drehte die Scheibe herunter. Sie schien abwartend, fast ein wenig abweisend. - Nach zwei Tagen saß ich mit der Gruppe von 20 jungen Musikern unter Eichenbäumen. Wir hielten Rückschau auf die ersten Tage unseres Zusammenseins. Als erste stand die Busfahrerin auf und stellte sich - fast feierlich - vor die gesamte Gruppe. Sie war Rumänin im Gegensatz zu den anderen Jugendlichen, die ungarischer Herkunft waren. Sie hatte Tränen in den Augen. Dann begann sie zu sprechen. “Ihr wißt, gestern war der Todestag meiner Mutter und ich hatte Angst vor diesem Tag. Zum ersten Mal konnte ich an diesem Tag nicht mit meiner Schwester zusammen zu der Kirche gehen, wo wir immer hingegangen sind. Aber ich muss Euch sagen: Ich bin so dankbar und glücklich mit euch unterwegs sein zu dürfen. Ihr habt eine solche Liebe unter euch - auch mir gegenüber!” Dann weinte sie. Am Ende der Tage, als wir uns verabschiedeten, sagte sie: “Ich habe schon weit über 1000 Fahrten gemacht - mit unzähligen Kilometern. Das ist mein Job! Aber diese Fahrt mit Euch, Eure Musik und diese schönen Stunden bei den Gastfamilien und auf der Fazenda hier in Deutschland hat diese besondere Fahrt für mich zum ersten Mal zu einer ‘Fahrt des Herzens’ werden lassen. Ich habe so etwas noch nie erlebt!”
Endlich Wochenende! Auf meinem Handy sehe ich eine Menge verpasster Anrufe. Die Nummer ist mir unbekannt. ‘Wird sich wohl wieder melden!’ denke ich. Ich möchte auf jeden Fall die letzten Sonnenstrahlen genießen und endlich etwas essen. Wieder ruft dieser Unbekannte an, ich hebe ab: "Bitte, kannst du uns helfen? Ich bin der Onkel von Josipa*, sie und ihr Mann haben heute Post bekommen. Ihr Asylantrag ist abgelehnt worden und sie müssen in wenigen Tagen unser Land verlassen haben!” Ich bin geschockt! Was soll ich tun? In meinem Kopf und in meinem Herzen rumort es. Ich rufe ein mir bekanntes Rechtsanwaltsbüro an. In 20 Minuten schließt das Büro, und es ist Freitag nachmittag.”Ja, schicken Sie noch schnell eine Mail!” Wenige Minuten später sitze ich bei dem jungen Ehepaar mit ihrem Säugling, um die notwendigen Infos zu sammeln. Unendlich groß sind die Not und die Sorgen, die mir sofort entgegen schlagen. Ich kann nur meine Nähe geben und sachliche Informationen per mail an den Anwalt schicken. 15.55 h, es ist geschafft! Ich verspreche meinen Beistand und mein Gebet, und ich verspreche Menschen zum Mit-Beten zu animieren. Der Mann strahlte... Am nächsten Tag ein erneuter Anruf, der Onkel der Frau - schon lange in Deutschland wohnhaft - war mit seiner Familie gekommen. Er bringt Ideen und recht fragwürdige Vorschläge. Er wolle ein Gutachten besorgen, ließ er mich wissen. Ich spürte, in Unehrlichkeiten hineingezogen zu werden. Dazu war ich nicht bereit. Ich wollte helfen, aber so nicht! Ich blieb dem eingeschlagenen Weg treu und suchte die Kommunikation mit dem Anwalt. Er bat um weitere Unterlagen vor unserm Gespräch und so fuhr ich wieder in die Wohnung der jungen Familie. Bereitwillig händigten sie mir die Unterlagen aus. Ihre Angst, gehen zu müssen, war mit Händen greifbar! Da sagte der Mann zu mir: "Meine Familie hat unehrliche Vorschläge gemacht. Aber ich will das nicht! Das ist eine Lüge und ich will Gott nicht anlügen! Er sieht uns doch!" Ich war sprachlos! Wir umarmten uns alle drei mit Tränen in den Augen. Was für eine menschliche Größe in dieser schweren Situation! Dadurch erleichtert, gehen wir diesen Weg gemeinsam weiter!
Samstag morgen. Wir haben alle länger geschlafen. Mein Mann ist schon im Esszimmer bei einer Tasse Kaffee, als ich nach unten komme. Ich genieße auch die erste Tasse Kaffee des Tages. “Ich fange schon mal an das Müsli zu zubereiten, ok?” frage ich meinen Mann. “Ach” sagt er, “eigentlich möchte ich heute kein Müsli. Ich würde lieber ein Brötchen essen.”- “ Ja gut, dann mache ich nur eine Portion fertig” antworte ich. Mehr passiert auch nicht... Als ich mit meiner Schüssel wieder zum Tisch kam , sagte mein Mann:”Ich habe einfach keine Lust, jetzt Brötchen zu holen. Erst noch rasieren und so..!” Welche Chance für mich! ”Kein Problem, dann fahre ich schnell.” ließ ich meinen Mann wissen. “Nein”, antwortet er, “das geht doch nicht, Du möchtest doch gar keine Brötchen.” - “Aber ich hole sie gerne für dich! Nimm es einfach an!” Also habe ich mich schnell frisch gemacht und die Brötchen geholt. Mittlerweile waren auch die Kinder aufgetaucht. “Cool, Mama hat Brötchen geholt!” freute sich unser Sohn. “Möchtet ihr Kakao?” wollte ich noch wissen. Einer warm, die andere kalten Kakao. “Mache ich.” Die Kinder vertieften sich sofort in die Zeitung. Als ich die Getränke zum Tisch brachte, sah mich meine Tochter fragend an. “Motto?” fragte sie. “Ja, Motto” antwortete ich ihr glücklich lächelnd. Ihrem Bruder flüsterte sie zu “Eigentlich ganz gut, diese Sache mit dem Motto.....”
“Kennst Du wohl noch Leute, die uns an unserer Schule helfen können, zwei Kindern, die aus Afrika angekommen sind, Sprachunterricht zu geben? Wir haben leider - aufgrund von Lehrermangel - nicht die Möglichkeit, den Kindern die Hilfe zu geben, die sie brauchen!” Diese Botschaft höre ich auf meinem Anrufbeantworter. Ich bitte Gott leise. “Schick du mir die Menschen, die diesen Dienst tun können!”, denn ich weiß, wie schwer es ist dafür interessierte und engagierte Menschen zu finden. - In Gottesdiensten frage ich nach und sende einige Mails. Niemand findet sich, der für diesen Dienst Fähigkeiten und Zeitkontingente einspielen kann. Morgen für morgen nehme ich es in mein Gebet, um den Kindern wirklich zu helfen, in unser Land hinein zu finden. Nach einer Woche eine sms. “Bitte rufen Sie mich zurück!” Als ich das tue, höre ich am anderen Ende die frohe Stimme eines Mitarbeiters unserer Pfarrei. “Wissen Sie was, eben hat sich bei mir ein junger Mann aus Sri Lanka gemeldet, der gerade sein Studium beendet hat. Er hat mir erzählt, ihm sei so viel Hilfe in seiner ersten Zeit hier in Deutschland geschenkt worden und nun wolle er - da er freie Zeitfenster habe - von dieser Hilfe etwas zurück schenken. Er wolle kein Geld dafür, er wolle einfach mit diesem Dienst DANKE sagen für das, was ihm geschenkt worden ist!” - Bittet und euch wird gegeben werden!
Auf einmal war er da, der Impuls zur Kirche zu gehen. Und so hab ich mich nach einem Spaziergang mit meiner Familie auf den Weg zur Kirche gemacht. Irgendwie war ich wieder neu auf der Suche nach Gott. Während der Messe, bekam ich den Friedensgruss gereicht. Ich gab diesen Gruß weiter und wollte ihn auch noch einer älteren Dame bringen, die ein paar reihen vor mir saß. Dazu mußte ich an einer anderen Frau vorbei. Als diese verstand, dass ich der Älteren den Frieden wünschen wollte, winkte sie ab mit der Bemerkung, die ältere Frau sei ein wenig wirre. “Ja gerade deswegen will ich doch gehen!” entfuhr es mir. Als ich der älteren Frau dann meine Hand reichte, strahlte sie - und dieses Strahlen kam ebenso aus meinem eigenen Herzen. In diesem Augenblick spürte ich Gott so nahe, wie schon lange nicht mehr. Aber mit meinem Beten war ich vor allem bei der ersten Frau. Möge auch sie neu die Kraft der Liebe und des weitergeschenkten Lebens entdecken.
In der vergangenen Woche sind zwei junge Menschen aus meinem Heimatland bei mir aufgekreuzt. Sie wollen nun in dem für sie fremden Deutschland Fuß fassen. Meine Familie und ich haben sie in unsere Wohnung aufgenommen. Da unsere Wohnung nicht viel Platz bietet, machte ich mir bis kurz vor ihrer Ankunft Gedanken, wo wir alle ihre Sachen deponieren sollten. Während ich noch darüber nachdachte, rief eine Freundin an und sagte: “Meine Kinder möchten einen Kleiderschrank abgeben. Weißt Du jemanden, der den gebrauchen kann?” - “Dich läßt der Himmel anrufen!” sagte ich meiner Freundin. Wenige Minuten später bin ich mit einer anderen Freundin schon auf dem Weg, um den Schrank abzuholen. Sie hilft mir auch ihn aufzubauen. Kurze Zeit nachdem er steht, kommen auch schon die beiden Jugendlichen - und alles, was sie mitbringen, passt in den Schrank.
Aus Afrika war er zu uns gekommen. Abends saßen wir bei Tisch - Brot und Wein auf dem Tisch. Brüderliche Zeichen. Er begann zu erzählen. Ich kannte die Geschichte seines Landes aus eigenem Erleben. Innerhalb von 100 Tagen hatten sich zwei Jahrzehnte zuvor eine Millionen Menschen gegenseitig umgebracht. Mit innerster Anteilnahme hörten wir zu. Fassungslos standen wir vor dem, was geschehen war. “Wir können es heute immer noch nicht verstehen, wie mein Volk das tun konnte!” Tränen füllten unsere Augen. Es folgten Augenblicke tiefen Schweigens. Es war ein Inne-Halten und ein miteinander Aus-Halten. In diesen Augenblicken hatte ich den Eindruck: “Gott spricht zu uns! - ER fragt nach dem Herzen von Brüdern und Schwestern!” Unser Gast erzählte weiter. “In diesen Wochen kommen Hunderte, oft sogar Tausende von Flüchtlingen aus dem Nachbarland, in das sie vor 20 Jahren geflohen sind, zurück. Sie können dort nicht mehr bleiben. Sie kommen mit ihrem kleinen Bündel von Habseligkeiten. Und dann finden sie Obdach in großen Zelten, denn sie haben kein Land und kein Haus mehr!” Wir sahen Fotos. Wieder neu spürte ich: Gott ruft! Hatte ER doch bei seiner Ankunft hier auf der Erde auch keine Bleibe gehabt und war ER doch als Kind ebenfalls Flüchtlingskind gewesen. - Die Heimkehrer brauchen Häuser! Das schien sonnenklar. Damit war die Aktion geboren: “Häuser für Heimkehrer”. Jedes kleine Haus für eine Familie kostete 1500 Euro. Noch in der Nacht begannen wir, Freunde anzurufen und mails herum zuschicken. Am vorherigen Tag hatte ein junger Mann aus einer benachbarten Stadt wegen eines Freiwilligen Sozialen Jahres bei mir vorbei geschaut. Er leitete eine Jugendgruppe. Auch ihn schrieb ich an... Nach zwei Tagen bereits war ein Netz von Hilfswilligen auf dem Weg. “Ein Haus schaffen wir doch auf jeden Fall!” hatte die Vorsitzende einer Frauen-Gruppe gesagt und all ihre Mitglieder hatten zugestimmt. “Ich will auch ein Haus schenken!” sah ich in der Mail einer jungen Frau, die vor Jahren bei einem Verkehrsunfall schwerst verletzt worden war und seither mit einer starken Behinderung zu leben hatte. “Ich gebe auch das Drittel eines Hauses!” höre ich eine Witwe sagen...Und der Junge Mann schrieb: “Die Jugendlichen meiner Gruppe sind schon voller Ideen und Tatendrang. Wir werden es wohl auch schaffen!” Wieder neu verstand ich: Gott braucht unser Vertrauen auf IHN. Wenn wir uns vertrauensvoll auf ihn hin ver-lassen, dann läßt er seine Fülle sprechen!
Was für eine Freude! Der kleine Junge - aus einer Asylanten-Familie stammend, den ich heute zu einer schwierigen Untersuchung begleitet habe, ist so weit gesund - auch wenn er weiter unter ärztlicher Beobachtung bleiben muss. Und dennoch war dieser Nachmittag wieder wie ein Abenteuer. Die Ärztin war zunächst sehr geschäftsmäßig, fast schon abweisend zu uns. Die Frage an mich gerichtet: "Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?" - "Dürfen Sie gerne! Ich bin eine Frau aus der Nachbarschaft des Asylantenheims!" - "Wieso kommen Sie dann mit?" fragte sie ziemlich irritiert. "Wer soll es denn sonst tun? Es finden sich leider nicht viele Leute, die sich um Asylsuchende kümmern wollen. Ich hab die Botschaft des Papstes mitbekommen, die er an die Jugendlichen beim Weltjugendtag gerichtet hat. Es war mehr als eindeutig, dass wir uns um die Menschen kümmern sollten, die am Rande stehen!" Schweigend sah sie mich an und sagte: "Beeindruckend!" Ganz freundlich wurde sie, richtig bemüht und sie holte sogar noch den Praxisleiter zur Untersuchung, da der Befund wohl eher selten ist und sie ganz sicher gehen wollte. Selbst er hat sich bei mir für die Begleitung bedankt! - Die Stimmung war wie umgewandelt.
Wieder stand der Jahres-Sterbetag eines nahen Verwandten an. Ich informierte eine weiter entfernt wohnende Frau, die aus dem Pfarrblatt das Jahresamt nicht erfahren konnte. Mit dieser Frau hatten viele aus meiner Familie große Schwierigkeiten, zumal sie schon viele Beziehungen innerhalb der Familie sehr belastet und sogar zerstört hatte. Viele ihrer Reaktionen waren überzogen und unverständlich, so dass im Laufe von Jahren tiefe Gräben entstanden waren. Ich hatte begonnen, eine Novene zu beten, um auch für diese Beziehung um “Entwicklung im Licht Gottes” zu bitten. Es war ein neuntägiges Gebet zu Franziskus, dem Friedensstifter. Am Tag des Jahres-Gedächtnisses kam die Frau mit ihrer Tochter ebenfalls zur Messe. Da sie kirchlich nicht sozialisiert ist, blieben die beiden im Fond der Kirche und sprachen mit niemanden aus der Familie. Als im Verlauf des Gottesdienstes der Augenblick des Friedensgrußes kam, spürte ich den tiefen Impuls: “Geh und bring auch ihr diesen göttlichen Frieden!” Alles wehrte sich in mir, hatte sie mich doch so oft schon verletzt und eine Beziehung nahezu unmöglich gemacht. Aber dieser innere “Ruf” war so stark, dass ich ging, denn ich spürte, es gab jetzt nur diesen Augenblick. Fünf Sekunden später schon, würde diese Gelegenheit unwiederbringlich vorbei sein. Also ging ich! Ich brachte den Frieden zu den beiden und schaute dabei in völlig erstaunte Augen. Diese ehrliche Geste berührte ihr Herzen. - Nach der Messe verschwanden beide schnell. Ich hätte keine Gelegenheit mehr gehabt, mit ihnen zu sprechen.
Am Mittwoch war ich bei einer syrischen Familie und habe bei der Hotline für das Aufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge angerufen. Wir sind bemüht, die alt gewordenen Eltern dieser Familie über ein Aufnahmeprogramm in unser Land zu holen. Ich erhielt telefonisch eine Bearbeitungsnummer. Ein Verwandter hat bereits eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Nun geht es darum, ob ein Visum beantragt werden kann. So sitze ich am Telefon und warte, ob meine Hilfe bei Sprachschwierigkeiten nötig ist... Ich bin da! Gerade kam ein Anruf der Familie. Der Termin bei der Ausländerbehörde ist positiv verlaufen. Die Unterlagen sind ausgehändigt, um die Visa zu beantragen... Ich freue mich so sehr für die Familie. Warum schreibe ich so ausführlich? Weil ich mir so sehr wünsche, dass wir hier in absehbarer Zeit Erfolg haben werden. Die Eltern sind schon viel zu lange auf der Flucht. Sie sind krank und traumatisiert. Wir können nicht die Welt retten, aber ein wenig Hilfe leisten und Menschlichkeit zeigen. So gilt es immer neu: Ich bin da!
Gestern war ich mit meiner Clique unterwegs. Mittendrin rief eine Asylantin an - einfach aus Angst. Ich habe meine Gruppe kurz verlassen, um zu sprechen, aber dass ich Englisch sprach, bekamen meine Leute doch mit. “Musst du los?” wurde ich gefragt? “Nein, nein, das war eine unsrer Asylantinnen, die große Angst hat und einfach Zuspruch brauchte.” - “Und dann rufen die dich einfach an?” - “Wie soll es denn sonst gehen?” fragte ich. Eine der Frauen spöttelte:”Ah, Mutter Theresa ist wieder im Einsatz.” Mich traf das sehr, versuchte ich doch, ganz für die Leidenden da zu sein. So hab ich begonnen, davon zu erzählen, welche Schicksale die Frauen oder Familien zu leben haben, und dass sie ganz alleine sind, wenn niemand kommt. Und dann erzählte ich von den Texten von Papst Franziskus, die ich vom Weltjugendtag in Rio im Internet aufgefischt hatte. “Der Papst hat dort einen klaren Auftrag gegeben. Er hat uns ermutigt, uns um Menschen, die an den Rand geraten sind, zu kümmern. Und das versuche ich umzusetzen. Oder soll ich wegsehen und weghören, wenn ich von dieser Not höre?” - Puh, war vielleicht etwas heftig, aber danach kamen keine dummen Sprüche mehr, sondern tatsächlich verhaltene Unterstützung. Das peinliche Schweigen legte sich dann wieder, zum Glück...
Ich hatte mich mal wieder in den Spurrillen alter Schuld verfangen. Eine tiefe Enttäuschung machte sich breit in meiner Seele. Traurigkeit und Missmutigkeit blieb zurück. Ich setzte mich auf einen Stuhl. In diesem Augenblick erreichte mich ein starker, lebendiger Impuls: “Da bin ich!” hörte ich. - Aber nicht von meiner Seite, sondern von der Seite Gottes. Ich verstand! Gerade in diesem dunklen Teil meines Lebens, in diesem Enttäuschenden war ER, Jesus, besonders lebendig und besonders gegenwärtig. Ein Wort aus dem Korintherbrief fiel mir ein. “Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden!” In diesem Schatten meines Lebens schaute ER mich an, ER war darin und ER war darin alles für mich. Seine Liebe sagte mir leise: “Alles für dich - nichts für mich!” Dieser innere Augenblick traf mich tief, richtete mich auf und löste vieles. Wenig später konnte auch ich sagen: “Da bin ich!” Die Sonne blickte durch die Wolken - ich nahm es abermals als ein Zeichen Seiner verborgenen Liebe!
Mein Büro rappelvoll und jeder möchte "nur noch eben" irgendetwas... Ich war echt gut gefordert. Den nächsten Klienten hatte ich erst einmal gesehen. Er war vorher bei einer Kollegin. Sie ist 53 Jahre alt, geschieden, hat eine erwachsene Tochter und betreibt einen Imbiss. Vor 3 Monaten hatte sie einen echten Schicksalsschlag erlitten. Ich wußte darum. Irgendwie wirkte sie völlig nervös, einerseits hatte ich das Gefühl, sie wollte mit all den Erledigungen in meinem Büro nur schnell fertig werden, aber irgendwas hielt sie zurück. Vor meinem Büro immer mehr Stimmen... "Kommen Sie, setzen wir uns noch einen Moment", habe ich ihr gesagt und ihr einen Stuhl angeboten. Der Stuhl in meiner Hand löste einen Gedanken an unseren Monats-Impuls aus. "Ich bin da (für dich)!" galt es innerlich zu sagen. "Was haben Sie denn noch zu besprechen?" wollte sie wissen. "Ich habe den Eindruck, dass es Ihnen nicht wirklich gut geht", bot ich ihr als Aufhänger. Volltreffer!! Sie sei völlig ohne Antrieb, wolle nur noch schlafen, schaffe die Arbeit nicht, müsse aber doch davon leben.... und ihre finanzielle Decke sei nicht stabil genug. "Was soll das....?" habe ich gar nicht zu Ende gefragt. Sie habe schon 2 mal auf einem Dach gestanden, sich dann aber doch nicht getraut zu springen, erzählte sie. Lange haben wir noch gesprochen. Richtig gut. Ich habe mich bedankt für ihre Offenheit, alles so zu erzählen und wir haben auch gleich einen Termin beim Psychiater bekommen, der sie ebenfalls unterstützt. . Am meisten gefreut hat mich, als sie sagte: “Eigentlich wollte ich das nie jemandem erzählen. Aber jetzt bin ich echt froh, dass ich es Ihnen doch anvertrauen konnte!”