Zum Hauptinhalt springen

eine bedeutungsreiche Begegnung

Es war in den ersten Juli-Tagen 2002. Über 400 junge Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Erzbistum Paderborn hatten sich für den Weltjugendtag in Toronto angemeldet. Wir hatten uns gut auf die Begegnung mit der Jugend der Welt und mit Papst Johannes Paul II. in Kanada vorbereitet. Mit 10 verschiedenen Flügen würden die Teilnehmer in Toronto ankommen und zunächst einige Tage in der Diözese Saint Catharines an den Niagara Falls verbringen. Erzbischof Degenhardt trug diese Begegnung sehr mit im Herzen, so besuchte ich ihn vor Abflug noch einmal, um ihn über alles zu informieren und ihn um seinen Segen für unseren Pilgerweg zu bitten.

Als ich mich nach einem gut einstündigen Gespräch von ihm verabschiedete, gab er mir einen farbigen Druck in die Hand, die Kopie einer figürlichen Darstellung aus dem Abdinghof-Evangeliar. Es zeigte auf der linken Seite Jesus, mit einer aufgeschlagenen Bibel in der rechten Hand und einer entrollten Buchrolle in der linken Hand. Auf der Bibel-Seite war in lateinischer Sprache ein Vers aus dem Johannesevangelium zu lesen: ego sum hostium per me si quis introierit salvabitur et (ingredietur et egredietur) et pascua inveniet. (Ich bin die Tür, wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; (er wird ein- und ausgehen) und Weide finden. - Joh 10,9). Die ausgerollte Schriftrolle zeigte das Wort: „ite in orbem universum. predicate evvangelium omni creaturae.“ (Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen. - Mk 16,15). Auf der anderen Seite der Abbildung waren die 12 Apostel zu sehen, die ihre übergroßen Hände den Worten Jesu entgegenstreckten. Fragend schaute ich Erzbischof Degenhardt, der mich damals vor 16 Jahren zum Priester geweiht hatte, an. Er sagte. „Das ist für Dich! Verstehst Du?“ Als ich zunächst nur zögerlich reagierte sagte er mir: „Das ist doch Euer Weg – mit den kleinen Bibel-Kärtchen. Die gehen doch in die ganze Welt. Ihr lebt, was Jesus gewollt hat! Macht weiter so!“ – Jetzt verstand ich.

In den Friedenscamps in Bosnien-Herzegowina hatten wir Tag für Tag mit den Jugendlichen aus ganz Europa das Tages-Evangelium gelesen und es in einem kleinen Motto verdichtet, um es erinnerbar zu machen. Diesen Mottos, die viel Leben hervor gebracht hatten, waren wir gefolgt und die Jugendlichen hatten uns gebeten, uns solche Ideen und Mottos auch unterhalb des Jahres zu schicken. So hatten wir begonnen, kleine Karten mit je einem Bibelwort und einem Motto zu fertigen und sie in 20 verschiedenen Sprachen postalisch in 60 Länder der Welt zu schicken. So erreichte Monat für Monat ein Wort Jesu junge Leute in der ganzen Welt. Auch Erzbischof Degenhardt bekam jeden Monat den Kommentar und eine kleine laminierte Plastikkarte. Diesen Weg hatte er gemeint als er mir sagte: „Macht weiter so!“ Mit dem Schatz des Evangeliars in den Händen und dem Wort im Ohr „Macht weiter so!“ verabschiedete ich mich. Der Bischof stand noch lange auf der Treppe und winkte mir nach. Wenige Tage nach dieser Begegnung führte uns die Pilgerreise des Weltjugendtages nach Kanada.

Als ich meiner Mutter von der Begegnung mit dem Erzbischof und dem Geschenk erzählte, suchte sie aus ihrem Gebetbuch einen kleinen Gebetszettel mit eben diesem Motiv des Evangeliars heraus und schenkte ihn mir. Er war für das Libori-Fest 1977 gestaltet worden. Auf der Rückseite war zu lesen: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! – Dieser Auftrag verpflichtet alle Gläubigen zum missionarischen Dienst. Wer das Heil empfängt darf und muss es weitergeben. Das vergegenwärtigt uns ein Bild aus dem Paderborner Abdinghof-Kloster. Jesus Christus breitet die Arme aus. Er schenkt Leben in Fülle und ruft in seinen Dienst. Die Apostel sind bereit. Sie schauen und hören auf ihren Herrn. Sie öffnen ihre Hände um zu empfangen und weiterzugeben. In ihrer Nachfolge haben Glaubensboten das Evangelium zu uns gebracht. 777 wurde in einer Missions-Synode in Paderborn im Zusammenhang mit dem ersten Reichstag auf sächsischem Boden die Grundlagen für das kirchliche Leben hierzulande gelegt. Die Übertragung der Liborius-Reliquien 836 war auch eine Missionshilfe. Das schon länger bestehende Bistum LeMans vertraute dem jungen Bistum Paderborn die Gebeine eines Pioniers seiner Missionierung an. Liborius war und ist Vorbild apostolischen Einsatzes und Zeuge des alle Menschen umfassenden göttlichen Heilswillens. Was diese Glaubensboten vor uns begonnen haben, müssen wir heute fortsetzen. Allen, die an ihn glauben, sagt der Herr: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“

Am frühen Morgen des 25. Juli erreichte mich – auf dem Fußboden eines Klassenraumes einer Schule in Toronto liegend – der Anruf aus Paderborn, dass Erzbischof Degenhardt ganz plötzlich im Alter von 76 Jahren verstorben war. Mich traf das wie ein Schock, weil uns eine brüderliche Beziehung verbunden hatte. Ich legte mich, weil es noch früh war, erneut auf den Boden, um noch ein wenig zu ruhen – noch allein mit dieser Botschaft. Tränen der Dankbarkeit liefen mir aus den Augen. All die Bilder der letzten Begegnung kamen in mir hoch. Und ich hörte ihn nochmals sagen: „Macht weiter so!“ Damit hatte er, der jetzt vom Himmel aus mit uns war, uns seinen Segen für den Weg ‚Jesus beim Wort genommen‘ (später: go4peace) gegeben. Als ich ihn wenige Tage später noch einmal - in der Bartholomäus-Kapelle aufgebahrt - besuchen konnte, hab ich Gott leise dieses Versprechen gegeben: „Ja, wir gehen weiter! Dein WORT bleibt unser Weg!“

Meinolf

Meinolf