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Schweigend in der Dunkelheit

Spät abends erreicht mich eine WhatsApp Nachricht. „Darf ich Dich um das Gebet für den Vater meines Freundes bitten? Er ist in den heftigen Kämpfen um Bachmut gestorben.“ Ich bin gerade in der Kirche und stelle in der Dunkelheit eine Kerze für ihn auf und schicke sie als Foto nach Kiew. Am nächsten Tagen bereite ich mit einer jungen Mutter den Nikolausabend in der orthodoxen Tradition für die Kinder der Ukraine in unserer Stadt vor. Ich erzähle ihr von der abendlichen Botschaft. Sofort beginnt sie mir all die Namen derer zu nenne, die schon aus ihrer Verwandtschaft gestorben sind. Schweigend sitzen wir ein paar Augenblicke da, mit Tränen in den Augen. Nachmittags verteile ich ein paar Weihnachtsbäume. Ich begegne einer Mutter, die mit drei Kindern aus der Ukraine bei uns angekommen ist. Auf die Frage, ob sie einen Weihnachtsbaum wolle, schüttelt sie den Kopf: „Dieses Jahr sind wir nicht in Weihnachtslaune! Frag meine Kinder.“ Als ich sie später frage und sie sich mit ihrer Mutter besprechen, lehnen auch sie das Angebot ab: „Dieses Jahr nicht!“ Während sie das sagen, schaue ich in tieftraurige Augen. Was sie wohl alles bewegen mag? Als ich abends in der Kirche bete, wandert mein Herz bei all diesen Menschen vorbei. Wie viele Tränen werden in dieser Nacht wieder geweint? Fern der Heimat, allein mit großer Verantwortung, unsichere Zukunft, Angst um die Lieben, die geblieben sind, Allein mit so vielen schweren Nachrichten… Ich versuche all das mit auszuhalten. Schweigend lege ich es in der Stille ans Herz dessen, der uns zugesagt hat: „Seid gewiss, ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende der Welt!“