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Verborgene Gegenwart

Ein Mann mittleren Alters stand an einem Geländer in der Sonne. Er schien zu warten. Ich sprach ihn an. Er sprach kein Deutsch. So kamen wir über Englisch miteinander ins Gespräch. Er kam aus der Ost-Ukraine. Schnell vertraute er mir. Seine Frau und ihre kleine Tochter stießen zu uns. In der Ukraine hatten beide studiert, geheiratet und sich dann ein kleines Eigenheim mit einem wunderschönen Garten aufgebaut. „Wir sind in der Ukraine am Punkt Null gestartet und hatten es so schön. Jetzt ist alles zerstört! Meine Frau wird da noch nicht mit fertig!“ Ich lud sie in unsere Kirche ein, wo Flüchtlinge auf eine große Holztafel die Karte der Ukraine gemalt haben. Auf kleinen Zetteln können sie dort die Namen ihrer Lieben hinterlassen. Abend für Abend bete ich für all diese Menschen. Die Frau nahm sich sofort einen Zettel. Mit Tränen in den Augen schrieb sie all die Namen ihrer Lieben auf und legte ihn in die Box – ein sehr emotionaler Augenblick. Ich lud die kleine bei uns gestrandete Familie ein, am Hochaltar das Bild der Emmausjünger anzuschauen. Sie kannten die Geschichte nicht. „Spürt ihr das tiefe Vertrauen und die Liebe unter uns in diesen Augenblicken?“ fragte ich behutsam. Die Frau nickte. „Und ich spüre einen tiefen Frieden“, sagte der Mann. Ich schaute die drei an und sagte zu ihnen: „Wo die Liebe ist, da ist Gott gegenwärtig. Er ist uns jetzt ganz nah!“ Unsere Augen füllten sich mit Tränen.