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Du bist geschaffen, um zu lieben!

Meine Zimmernachbarin kommt aus Syrien. Wir wohnen schon lange im Studentenheim, aber erst seit einem halben Jahr haben wir es geschafft, uns näher zu begegnen. Die Sprachbarriere ist überwunden und auch der scheue Kontakt zu der jeweils anderen Kultur und Religion löst sich immer mehr auf. So hatte ich sie vor einiger Zeit gebeten, für unsere kleine Gartenfete etwas Einfaches, aber typisch Syrisches zu backen. Sie war so glücklich, dass sie etwas zu unserem Fest beitragen konnte.. Es macht mich sehr froh und erleichternd zu sehen, wie meine Nachbarin nach und nach immer mehr aufblüht …

Sie gehört zu einigen wenigen, die über die Semesterferien nicht nach Hause fahren, oder anderswo Urlaub machen. So fühlt sie sich einsam. Der sonst durch Mitbewohnerinnen belebte Flur wirkt wie ausgestorben. Als sie nun bemerkte, dass ich (wieder) da bin, kam sie direkt auf mich zu und sagte: „Ich vermisse Euch alle so sehr! Niemand ist da, selbst im Büro sind alle weg!“ Sie tat mir echt leid.
Aber als sie mich sah, war sie richtig froh und glücklich. Ich kam mit ihr ins Gespräch, wir erzählten uns alle Neuigkeiten. Sie verschwand in ihrem Zimmer und kam mit zwei kleinen Tennisschlägern (aus Holz) und einem kleinen Gummiball wieder. Es war klar: Sie hatte viel Nachholbedarf an „Lebendigkeit".  Sie wollte nun mit mir Tennis spielen. Eigentlich war mir nicht wirklich danach. Ich war müde und die Arbeit am Schreibtisch rief auch…
Mir fielen dann aber zwei Mottos ein: „Was ist jetzt die größere Liebe?“ – Klar, mit ihr jetzt eine Runde Tennis zu spielen – und dann kam mir noch das zweite Motto: „Du bist geschaffen, um zu lieben!“. Ich gab ihr mein Ok und wir spielten eine gute Stunde Tennis auf dem langen Flur des Wohnheims, da es draußen in Strömen regnete. Es hat furchtbar viel Spaß gemacht!

Ich bin so froh, dass ich heute den Schritt der Liebe wieder neu machen konnte. Ich werde nächste Woche aus dem Wohnheim ausziehen und für ein Semester im Ausland sein. Hier im Wohnheim sind mir so viele Studentinnen und eine gute (Küchen-) Gemeinschaft sehr ans Herz gewachsen. Ich merke, dass es mir nicht leicht fällt, den mir so vertrauten Ort zu verlassen. Was auch kommen mag und  wie es mir in meiner neuen Umgebung gehen wird: Ich nehme mir vor, alle zu lieben – egal wer mein Nächster ist. 
AS