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Dasein in der Dunkelheit

Immer neu treffen mich Botschaften, die mich tief berühren. Ein totes Kind ist in der Baby-Klappe eines nahen Krankenhauses abgelegt worden. Jetzt läuft die Suche nach dem “Täter” / der “Täterin” auf Hochtouren, denn das Kind hat nach der Geburt gelebt. Ich spüre die Not und Verzweiflung der jungen Mutter, die Ausweglosigkeit und ich sehe das Kind vor mir, das nicht leben durfte. Mit dieser Dunkelheit im Herzen bin ich da - vor Gott.
In einer Mail lese ich, dass die Eltern einer syrischen Familie auf langen Fluchtwegen mittlerweile in Bulgarien angekommen sind. Ein Verwandter dieser Familie hat alle Verpflichtungserklärungen für die Eltern unterschrieben und wollte sie nun in Bulgarien abholen. Voller Hoffnung und Vorfreude ist er aufgebrochen. Gestern ist er am Flughafen in diesem Land verhaftet worden, weil ihm vorgeworfen wird, ein Schlepper zu sein. “Haben Sie noch eine Idee, was wir machen können?” lese ich in der Mail. Ich spüre die Verzweiflung des Festgenommenen, der “alles richtig gemacht” hat und der nun ungerechtfertigter weise leidet und festgehalten wird. Ich spüre die Verzweiflung der in Deutschland wartenden Familie und ich spüre die Not der mittlerweile alt und hilfsbedürftig gewordenen Eltern und ich spüre die Ohnmacht der Helfer. Wieder neu: Da bin ich, auch mit ihrer Not vor Dir.
In den Bildern des Fernsehens schauen mich immer wieder die Flüchtlinge auf Lampedusa an, Helfer bergen Tag für Tag noch Tote dieser schrecklichen Katastrophe vor den Toren Europas. Auch diese Gesichter gehen mir nicht mehr aus dem Sinn. Ein junger Mann aus Eritrea bittet eine Reporterin um ihr Handi, um zu Hause anzurufen. Er sagt nur ganz kurz, es sei alles klar, er sei angekommen! Ich sehe sein Gesicht. Und gleichzeitig “sehe” ich das Gesicht der vielen Eltern und Verwandten in Eritrea und Somalia, die auch auf Botschaft ihrer Kinder oder Verwandten aus Europa warten und nie mehr Botschaft erhalten werden. Ihr Schmerz geht mir sehr unter die Haut. Auch diesen Schmerz versuche ich mit auszuhalten: Da bin ich - immer neu in und mit der Dunkelheit dieser Welt - vor Dir.