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... aufgebrochen und angekommen ...

Do, 28.09.2023 - 18.30 bis 20.00 Uhr
Pfarrzentrum Heilige Familie,
Dunkle Straße 4, 59174 Kamen

„Ich musste meinem Herzen trauen, auch wenn meine Eltern meinen Plänen nur schwer zustimmen konnten!“ erzählt Berislav aus Bosnien und Herzegowina. Nachdem er als Flüchtling sein Dorf, das in den neunziger Jahren vom serbischen Militär angegriffen wurde, verlassen musste, verließ er schon früh seine Familie, ging auf ein kroatisches Gymnasium, studierte dann in Münster Theologie und ist heute ein Marketing-Experte, der das go4peace-Netzwerk berät und unterstützt. Über 70 Teilnehmer*innen hatten sich am Donnerstag, dem 28.09. abends im Gemeindezentrum Heilige Familie auf Einladung des Netzwerkes go4peace eingefunden und erfuhren in sechs spannenden Interviews von bunten Hoffnungsgeschichten aus aller Welt.  Aata aus dem Irak erzählte, wie sie ihren Mann nur kennen lernen konnte, weil er seine Heimat Bagdad verlassen musste, wo er gegen ein hohes Lösegeld vom IS freigekauft worden war. Mittlerweile lebt sie mit ihm und ihren beiden Kindern in Kamen und arbeitet in einer Kindertagesstätte. Mit ihren sieben Sprachen, die sie beherrscht – Arabisch, Kurdisch, Assyrisch, Aramäisch, Englisch und Deutsch – baut sie manche Brücke zwischen den vielen Kindern. Nach einem Bundesfreiwilligendienst-Einsatz hatte sich Artemida aus Albanien entschieden, in Kamen zu bleiben, wo sie mittlerweile an der Gesamtschule Kamen arbeitet. In wenigen Tagen tritt sie eine neue Stelle an und als Meinolf Wacker sie am Ende ihres Interviews fragt: „Bist Du angekommen!“ strahlt sie und sagt: Natürlich schlägt mein Herz weiter für meine Heimat, aber ich bin wirklich angekommen. Gleiches sagen Stas und Sasha aus der Ukraine mit ihrem kleinen Sohn und sind froh, dass sie mittlerweile eine Ausbildungsstelle und eine Arbeit gefunden haben. Bereichert wurde der Abend durch musikalische Liedbeiträge von Lilou Zora Tamina Herlitschke, begleitet von Lukas Bajon am Klavier.

Ein junges Ehepaar aus Afghanistan und dem Iran sind sich mehr als glücklich, in Deutschland leben zu dürfen. Beide haben eine Ausbildung geschafft und sind in ein großes Netzwerk von Freund*innen eingewoben. „Deutschland ist unsere Heimat!“ lassen sie uns wissen. Auch Filmon, ein junger Diakon der eritreisch orthodoxen Kirche, der sein Land ohne das Wissen seiner Eltern verlassen hat, fühlt sich in unserem Land beheimatet. „Wäre heraus gekommen, dass ich mein Land verlassen wollte, wäre ich ins Gefängnis gekommen. So konnte ich denen, die ich liebe, nicht sagen, dass ich bei Nacht und Nebel gehen würde.“ Nach einer langen abenteuerlichen Flucht mit schweren Erfahrungen in einem Flüchtlingslager in Libyen und dem Weg über das Mittelmeer, bei dem Menschen in seinem Boot gestorben sind, kam er nach Deutschland. In fließendem Deutsch lässt der die Zuhörer*innen verstehen: „Ich bin so froh, dass ich jetzt hier eingebürgert bin und Soziale Arbeit studieren darf. Denn ich weiß, was es bedeutet, bei Null in einem neuen Land zu beginnen. So möchte ich in Zukunft anderen helfen, die in dieser Notsituation hier ankommen!“

Auf die Frage: „Und was nehmen Sie mit?“ antwortete eine Teilnehmerin aus dem Publikum: „Ich habe noch nie so tief gespürt, dass wir zu einer Menschheitsfamilie gehören und alle in einem Boot sitzen. Ich gehe sehr bereichert wieder nach Hause!“ Eine jüngere Teilnehmerin fügte hinzu: „Mich hat es sehr berührt, von der jungen Christin aus dem Irak zu hören: Für mich ist nicht wichtig, welcher Religion eine Person angehört, sondern ob sie ein gutes Herz hat.“ Veranstaltet wurde dieser Abend als ein Beitrag zur interkulturellen Woche 2023.

In Kamen leben Menschen aus ca. 100 Nationen. Viele haben ihre Heimat verlassen und sind aufgebrochen mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. An diesem Abend erzählen u.a. eine junge Lehrerin aus Albanien, was sie bewegt hat, ihr Land zu verlassen; ein junges Paar aus dem Iran und Afghanistan, wie sie nach einer dramatischen Flucht voller Angst in Deutschland angekommen sind und sich heute in einem Netzwerk von Freund*innen aufgehoben fühlen; ein junger Eritreer, wie er dem Tod ins Auge geschaut und an sich geglaubt hat, seine Pläne immer wieder ändern musste und jetzt Soziale Arbeit studiert; ein Mediengestalter aus Bosnien und Herzegowina, wie er in schweren Zeiten dem Ruf seines Herzens gefolgt ist und alles gelassen hat; eine Mutter aus dem Irak, wie sie mit ihrem Mann dem Tod entronnen und menschlich und beruflich bei uns angekommen ist.

Sie alle lassen ihr Leben mit all ihren Leiden, Hoffnungen und Freuden sprechen.

Musikalische Gestaltung:
Lilou Zora Tamina Herlitschke - Gesang
Lukas Bajon - Klavier